DIE AUSWIRKUNGEN DES BREXIT AUF DIE EU-VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Im Verlauf der letzten zwei Jahre wurden intensive Gespräche auf Ebene der Mitgliedstaaten wie innerhalb der EU-Institutionen geführt, um zu klären, welchen Einfluss der Austritt Großbritanniens aus der Union insbesondere auf die gemeinsame Verteidigungspolitik hat. Die Frage der künftigen Verteidigungskooperation ist ein sehr heikles Thema, das weiterhin in den entsprechenden Gremien debattiert wird.
Großbritannien gehörte auch zu den Sponsoren einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, was 1998 im sogenannten Saint-Malo-Abkommen mit Frankreich vereinbart wurde. London hat jedoch die weitere Integration des Verteidigungsbereichs in der EU blockiert, weil man auf dem Standpunkt steht, dass die NATO die einzige Institution sei, die für die Verteidigung des Kontinents verantwortlich sei. Großbritannien bevorzugt dafür ad hoc in Krisenfällen zustande kommende „Koalitionen der Willigen“ oder bilaterale Abkommen der EU-Staaten, als eine weitere Vertiefung der gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen. Aus diesem Grunde hat London mit einer ganzen Reihe von EU-Staaten (etwa mit Frankreich oder Deutschland) rüstungspolitische Beziehungen forciert. [1]
Der Brexit könnte andererseits auch als eine Möglichkeit betrachtet werden, um die EU-Verteidigung ohne den Widerstand Großbritanniens zu fördern. [2] Der in Brüssel gefasste Beschluss, mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation - PESCO), wie sie im Vertrag von Lissabon von 2007 verankert ist, dürfte sich langsam konkretisieren.
Großbritannien ist neben Frankreich eine der bedeutendsten Militärmächte und zudem atomar gerüstet. Obwohl Nuklearfragen nicht im Zentrum der EU-Kooperation stehen, bedeutet der Brexit letztlich, dass die EU einen seiner zwei Repräsentanten im UNO-Sicherheitsrat verlieren wird, was einen Verlust an politischem Gewicht innerhalb dieses höchsten Gremiums und damit auch auf internationaler Ebene bedeutet.
Der Brexit dürfte aber keine wesentlichen Auswirkungen auf die EU-Verteidigung haben, weil London und Brüssel über den Brexit hinaus eine enge Verteidigungszusammenarbeit vereinbart haben.
Auf dem Gebiet der europäischen Rüstungswirtschaftskooperation ist Großbritannien weiterhin stark involviert. Dennoch dürfte London den bislang freien Zugang zum Rüstungsmarkt auf dem europäischen Kontinent – zumindest in dieser Form als vollwertiges EU-Mitgliedsland – einbüßen. Doch es gibt noch keine genauen Details dazu. Die Dinge befinden sich weiterhin im Fluss.
Jedenfalls müsse die EU aus geostrategischer Perspektive [3] die negativen Begleitfolgen des Brexits möglichst gering halten bzw. abfedern, indem Großbritannien als enger Partner der EU (etwa auch bei der Terrorabwehr [4]) verstanden wird.
Weiterführende LINKS:
The UK’s Place in European Defence
The Consequences of Brexit for European Defence and Security - RUSI
EU and UK need each other on post-Brexit security
UK participation in the EDA and the new EU defence package in the context of Brexit - IISS
Europe's Defence: Revisiting the Impact of Brexit
UK–EU defence and security cooperation after Brexit
Feichtinger kompakt: Brauchen wir eine EU Armee?
Feichtinger kompakt: Ist die NATO obsolet?
Feichtinger kompakt: Wie verteidigt sich Europa?
Brexit and European Defence: What to Expect from a "No-Deal" Outcome?
Brexit und europäische Verteidigung – SWP-Aktuell Juli 2017
Kein »Global Britain« nach dem Brexit – SWP-Aktuell Mai 2018
Die EU-Verteidigungspolitik – Vision und Realität - Your Intranet - ÖMZ
European Commission - PRESS RELEASES
Europäische Verteidigungspolitik | bpb
Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu: Andrew Glencross / David McCourt, Living Up to a New Role in the World: The Challenges of “Global Britain”. In: Orbis 4/2018, S. 582-597.
[2] Siehe etwa dazu: Giulia Tilenni, „The Impact of Brexit on EU Defence“. In: European Security & Defence 7/2018, S. 10-13.
[3] Herfried Münkler, „Eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa?“. In: Merkur 7/2018, S. 5-17.
[4] Matthew Redhead, „TEST OF STRENGTH - UK revises counter-terrorism strategy ahead of Brexit“. In: Jane’s Intelligence Review 9/2018, S. 24-27.