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CHINAS NEUE SEIDENSTRASSEN-INITIATIVE

Mit dem Aufstieg des Reichs der Mitte zur Großmacht scheint auch zunehmend ein Ende der bisherigen, primär von den USA dominierten liberalen globalen Ordnung in Sicht. [1] Währenddessen ist China heute dabei, in jene global maßgebliche Rolle zu schlüpfen, aus der man vor rund 600 Jahren aufgrund eigener machtpolitischer Selbstbeschränkung herausgetreten war. [2] Manche Beobachter sehen im Zeitraum zwischen 2030 und 2035 den Punkt gekommen, wo China die USA als globale Führungsmacht ablösen werde. China strebt die Restauration einer alten Weltordnung chinesischer Prägung an, die wenig mit der uns vertrauten westlich-liberalen Weltordnung gemein hat, dafür aber viel mit einer bürokratischen Ordnungsvorstellung, die in mancher Hinsicht an das alte Tributsystem erinnert. So lanciert Peking die alte eurasische Entwicklungsschiene im Rahmen der Neuen Seidenstraßen-Strategie („One Belt One Road“). Das zunehmend aggressivere Auftreten Chinas etwa im Südchinesischen Meer, wo Peking Inseln aufschüttet und Militärstützpunkte darauf errichtet, ist ein besonderes Beispiel dieses gestärkten Selbstvertrauens. [3]

Der durch Zentralasien bis über den Iran und die Türkei verlaufende primäre kontinentale Handelsweg weist gewisse Parallelen zur Trasse der ehemaligen Bagdad-Bahn auf. Weitere Nebenrouten führen über den Balkan bis Moskau und schließlich über Weißrussland, Polen zu den Umschlaghäfen von Rotterdam und Antwerpen.

Wie bei der früheren Ming-Dynastie geht es dem heutigen chinesischen Präsidenten Xi Jinping um die Restauration der alten Landrouten quer durch Eurasien und der Seerouten durch das Becken des Indischen Ozeans. Zu Land nutzt China die bestehende, wenn auch teilweise marode Infrastruktur, etwa die Transsibirische Eisenbahn, die China unbedingt modernisieren möchte, um die eigenen Kapazitäten zu erhöhen. Auf diese Weise soll der heutige Kostenvorsprung des Seehandels durch die drastische Reduzierung der Fahrtzeiten nach Europa ausgeglichen und überdies das Nadelöhr des Suezkanals entlastet werden. Ergänzt werden soll die Eisenbahn durch neue Fernstraßen für den Containertransport, den Bau von Pipelines für Erdöl und Erdgas sowie den Ausbau der Energie- und Kommunikationsinfrastruktur. Ende 2016 existierten bereits 39 Schnellbahnverbindungen für den Gütertransport nach Europa mit rund 3000 Zügen, die 14 Städte in neun europäischen Staaten anfuhren. Als Paradebeispiel kann die regelmäßige Verbindung zwischen Chongqing und Duisburg über das nordwestchinesische Ürümqi, das russische Kasan und Moskau gesehen werden. [4]

 

Zusätzlich zu den kontinentalen Routen im Rahmen der Neuen Seidenstraßen-Strategie hat Peking sogenannte „Wirtschaftskorridore“ eingerichtet, die über ein dichtes Adernnetz Waren durch ganz Asien bis in den arabischen Raum transportieren sollen. 

Bis 2025 ist eine schiffbare Verbindung über den Mekong von Kunming bis in den Süden Vietnams geplant. Auf diese Weise werden drei Wirtschaftsgürtel entstehen: Der eine leitet die Güterströme über den zentralasiatischen Raum bis zur Ostsee; der zweite geht von China zum Persischen Golf und schließlich in den Mittelmeerraum; der dritte erstreckt sich über den Südwesten Chinas bis zum Indischen Ozean. Zur Strategie der Wirtschaftskorridore gehört unter anderem auch das „Landgrabbing“, insbesondere am afrikanischen Kontinent, zur Versorgung des chinesischen Markts mit Nahrungsmitteln und pflanzlichen Rohstoffen.

Peking plant minutiös die Ausdehnung seiner maritimen und kontinentalen Handelsrouten, wobei man stets darauf bedacht ist, diese auch militärisch abzusichern. [5]

Der wichtigste strategische Denker in Chinas Geschichte war ohne Zweifel Sunzi (545 v. Chr. – 470 v. Chr.). Seine Konzeption des Krieges in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“ hat viele Ähnlichkeiten zu heutigen Sicherheitsparadigmen. Nach Sunzi sind präventive Aufklärung, szenarien-basierte Planung und Vorbereitung gegen Bedrohungen fundamental. [6] Das Ziel ist es, in einem Krieg ohne Kampf zu gewinnen. Dabei müssen die Bedrohungen bereits frühzeitig eingedämmt bzw. überhaupt im Vorfeld verhindert werden, bevor sie entstehen. Eine andere wichtige Entwicklung war das Intelligenzspiel Weiqi (Go). Das Spiel kann Stunden, aber auch Tage dauern. Das Spiel basiert auf 36 unterschiedlichen Szenarien. Scham und Misstrauen sind starke Gefühle bei den Chinesen. Verschwiegenheit ist eine Tugend, wobei Chinesen sich niemals Fremden gegenüber vollkommen öffnen. Allerdings stehen Chinesen in kritischen Situationen sehr wohl zu ihren wahren Überzeugungen und lassen es ihrem Gegenüber auch spüren. China misstraut dem Westen und sieht die Auslandschinesen etwa auf Taiwan als „Subjekte westlichen Einflusses“. Die kommunistische Führung in Peking setzt alles daran, die ökonomisch ausgerichtete chinesische „Neue Seidenstraßenstrategie“ zu Land und zu Wasser politisch-militärisch mit Hilfe von Stützpunkten und Häfen abzusichern. Pakistan etwa gilt dabei als „Wirtschaftskorridor“-Land für Waren von Ost nach West. Die Freundschaft zwischen China und Pakistan gilt als Gegenstück zur indisch-russischen Freundschaft. Die Sicherung der pazifischen Meeresroute ist für China von zentraler Bedeutung und der Grund vieler territorialer Kontroversen mit seinen Nachbarn. China ist zudem weiterhin im Disput mit Indien über transnationale Flussläufe, die in Tibet und dem Himalaya entspringen. Chinas Anstrengungen, den Brahmaputra-Fluss auf chinesischem Gebiet aufzustauen, hat die Spannungen zwischen Delhi und Peking drastisch erhöht. Sibirische Territorien, die einst zu China gehörten und nun Teil Russlands sind, werden wahrscheinlich in weiterer Zukunft ebenfalls zu einem Sicherheitsproblem zwischen Peking und Moskau. Unter Präsident Xi Jinping forciert China nicht nur seine ökonomische, sondern vor allem auch seine politisch-militärische und zunehmend technologische Macht. Neben der energischen militärtechnologischen Stärkung seiner Streitkräfte hat China große Ambitionen, auch eigene Astronauten auf den Mond schicken. Damit will China auch verstärkt im Weltraum Präsenz zeigen. Dafür wurde etwa das Raumschiff Shenzhou-11 und das Weltraumlaboratorium Tiatong-2 gebaut. China wird alle Maßnahmen ergreifen, um seine vitalen Interessen zu schützen. Jedoch wird Peking Spannungen nur auf eine kontrollierbare Weise eskalieren lassen. Diplomatie und Politik wird der Vorzug gegeben, um die nationalen Interessen Chinas zu behaupten.

Als ein Schlüsselelement seiner Seidenstraßeninitiative zur Vernetzung dreier Kontinente – Asien, Europa und Afrika – enthüllte der chinesische Präsident die ambitionierten Pläne zur Errichtung des Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors während eines Besuches in Islamabad im April 2015. Dementsprechend verkündete Peking, rund 46 Milliarden US-Dollar in die pakistanische Wirtschaft durch chinesische Infrastrukturinvestitionen zu stecken. China und Pakistan bezeichneten das Projekt als „win-win“-Ansatz. [7] Es gibt drei mögliche Wege, um Kaschgar in China mit Gwadar in Pakistan zu verbinden. Alle drei führen durch Gilgit Baltistan, das nördlichste Verwaltungsterritorium Pakistans an der Grenze zur chinesischen Provinz Xinjiang und befinden sich in der zwischen Pakistan und Indien umstrittenen Region Jammu und Kaschmir. Der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor verfolgt aber nicht nur rein ökonomische Ziele, sondern ist auch von strategisch-politischer Wichtigkeit. Der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor wird von Peking als „Flaggschiff-Projekt“ dargestellt. Durch diese Korridor plant China die eigene westliche Unruheprovinz Xinjiang mit der strategisch wichtigen pakistanischen Provinz Belutschistan zu verbinden. Zudem wurde bekannt, dass Peking den Hafen von Gwadar zu einer chinesischen Marinebasis ausbauen möchte. In der früheren französischen Kolonie Dschibuti in Ostafrika hat China bereits seine erste Marinebasis errichtet, um seine Seeverbindungen im Rahmen der maritimen Seidenstraßenroute zu schützen. China hat zudem angekündigt, an Pakistan acht Angriffs-U-Boote für den Preis von 5 Milliarden US-Dollar zu verkaufen. Das zeigt, dass Pakistan ein zentraler Eckstein für Chinas Seidenstraßeninitiative ist. Für China ist der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor auch ein wichtiges strategisches Werkzeug, um den großen Konkurrenten Indien in Schach zu halten. Im Gegenzug unterzeichneten Indien, der Iran und Afghanistan jüngst ein Abkommen, um den iranischen Hafen von Tschahbahar am Golf von Oman in einen Transithub unter Umgehung Pakistans zu verwandeln.

Der Prozess der „Veröstlichung“ („Easternization“) von West nach Ost wird weitergehen und sich in politisch-militärische Macht zugunsten vor allem des Reichs der Mitte übersetzen. [8]

Aus Sicht der USA ist ein maritimes „Great Game“ im asiatisch-pazifischen Großraum im Gange, das alle Anrainerstaaten einschließlich der Weltmacht USA involviert.

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Weiterführende LINKS:

Jonathan E. Hillman, “How Big Is China’s Belt and Road?” In: CSIS-Center For Strategic Studies-Online v. 3.4. 2018: https://www.csis.org/analysis/how-big-chinas-belt-and-road

Jiayi Zhou, Karl Hallding, and Guoyi Han, “The Trouble With China's 'One Belt One Road' Strategy”. In: The Diplomat-Online v. 26.7.2015: https://thediplomat.com/2015/06/the-trouble-with-the-chinese-marshall-plan-strategy/

Offizielle Webseite Chinas zur neuen Seidenstraßeninitiative: THE STATE COUNCIL -THE PEOPLE'S REPUBLIC OF CHINA -  THE BELT AND ROAD INITIATIVE

Michael D. Swaine, Chinese Views and Commentary on the “One Belt, One Road” Initiative (PDF). Hoover-Institution.

Matthew P. Goodman, Parallel Perspectives on the Global Economic Order - A U.S.-China Essay Collection. In: CSIS-Center For Strategic Studies-Online v. 22.7.2017: https://www.csis.org/analysis/parallel-perspectives-global-economic-order

China's Belt and Road Initiative. In: World Politics Review-Online 10.9.2018


Anmerkungen:

[1] Siehe etwa: Gideon Rachman, “Der Beginn des asiatischen Zeitalters”. In: Internationale Politik 2/2018, S. 8-13.

[2] Vgl: Matthias Messmer / Hsin-Mei Chuang, China at its Limits – An Empire’s Rise Beyond its Borders, Kerber Verlag, Bielefeld 2018, 416 Seiten.

[3] Vgl. dazu: Gina Schneider, „Conflict Management under Conditions of Asymmetric Power: The Case of The South China Sea Disputes”. In: S+F – Sicherheit und Frieden 1/2018, S. 45-53.

[4] Siehe dazu: Ulrich Menzel, “Tribut für China: Die neue Eurasische Weltordnung“. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2018, S. 49-60.

[5] Vgl: Mark Metcalf, „China Envisions Growing Role in Regional Security”. In: Naval Institute Proceedings 4/2018, S. 42-46.

[6] Ali Erdinc, “China’s Threat Perception, Security Strategy and Eurasia”. In:  European Security & Defence 3/2018, S. 24-27.

[7] Shah Meer Baloch, „CPEC: One Potentially Treacherous Road in China’s Grand Plan?” In: Sicherheit und Frieden S+F 3/2017, S. 139-143.

[8] Vgl. etwa: Friedbert Pflüger, „Von der Pax Americana zur Pax Sinica? - Der Weltmachtanspruch der chinesischen Energie- und Klimapolitik“.  In: Internationale Politik 2/2018, S. 30-36.