RUSSLAND UND DIE INTERNET-PROPAGANDADie US-Anklage von Februar 2018 gegen dreizehn russische Staatsbürger und drei Unternehmen im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf [1] wurde zwar von den Betroffenen sarkastisch kommentiert, jedoch sprachen auch auf russischer Seite genügend Indizien dafür, dass die in der US-Anklageschrift beschriebenen Vorgänge kein Konstrukt amerikanischen böswilligen Verhaltens war. Recherchen amerikanischer und russischer Medien in den vergangenen zweieinhalb Jahren haben ein relativ detailliertes Bild von dem ergeben, was gemeinhin als „Fabrik der Trolle“ bezeichnet wird. So wird aufgezeigt, dass sich hinter einer harmlos scheinenden, privatwirtschaftlich organisierten Firma geheimdienstliche Aktivitäten, politische Absichten und Günstlingswirtschaft zu einem undurchsichtigen Konglomerat verbinden, von der der russische Staat stets beteuerte, damit überhaupt nichts zu tun zu haben. Die „Fabrik der Trolle“ heißt mit offiziellem Namen „Agentur für Internet-Recherchen“. Diese startete 2014 ihren Betrieb und war bis vor kurzem in einem unscheinbaren Bürogebäude in St. Petersburg untergebracht. Im Zwölf-Stunden-Schichtbetrieb arbeiteten bisher mehrere hundert Mitarbeiter in verschiedenen Abteilungen zur politischen Beeinflussung innerrussischer und ausländischer öffentlicher Debatten. Dabei ging es in erster Linie darum, Diskussionen durch die rege Beteiligung in den Leserkommentaren von Online-Medien und sozialen Netzwerken zu beeinflussen – eben zu „trollen“. Als sich das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen im Zuge der russischen Einverleibung der Krim drastisch verschlechterte, lobten die Trolle in russischen sozialen Netzwerken und Presseerzeugnissen den starken Zusammenhalt der Gesellschaft gegen die äußere Gefahr. Mittlerweile wird davon gesporchen, dass die besagte „Trollfabrik“ mit einem ganzen Medienkonglomerat verbunden ist. Die „Föderale Agentur für Nachrichten“ und eine Reihe von Internetmedien gehören dazu. Sie beliefert vielgelesene russische Nachrichtenportale mit Material – unter anderem auch aus dem Bürgerkriegsgeschehnissen in Syrien. Der mutmaßliche „Besitzer“ der „Medienfabrik“ ist der undurchsichtige Gastro-Unternehmer Jewgeni Prigoschin, dem auch nachgesagt wird, dass er die Privatarmee Wagner mitfinanziert haben soll, die jüngst wegen erheblicher Verluste bei einem Zusammenstoss mit US-Truppen in Syrien in die Schlagzeilen kam. Prigoschin saß in den 1980er- Jahren wegen Raubes, Betrugs und Zuhälterei für neun Jahre im Straflager, bevor er mit einer Hotdog-Kette, russischem Fast-Food und einem sogar beim Präsidenten angesagten Petersburger Edelrestaurant in die obersten Ebenen der Macht Zugang fand und heute zahlreiche Behörden mit Essen beliefert. Das hat ihm den Spitznamen „Putins Koch“ beschert. Er ist einer der dreizehn angeklagten Russen und Besitzer der beschuldigten Unternehmen, bestritt aber hartnäckig jegliche Verbindungen zur besagten „Trollfabrik“. Bezüglich der gescheiterten Bodenoffensive russischer Paramilitärs in Ostsyrien Anfang Februar 2018 hatte es offenbar Absprachen zwischen Regierungsstellen in Moskau und dem mutmaßlichen Drahtzieher der involvierten Truppe gegeben. So kündigte Prigoschin Ende Jänner 2018 gegenüber einem syrischen Minister offenbar die Offensive an und erklärte, er habe für die Operation der „Gruppe Wagner“ grünes Licht aus Moskau erhalten. Russland hatte offiziell jegliche Verbindung und Verantwortung für diesen paramilitärischen Einsatz bestritten. Bei den Angriffen der US-Luftwaffe auf die vorrückenden Kämpfer wurden offenbar Dutzende von russischen Söldnern getötet oder verwundet. Mit der seit 2015 ins Leben gerufenen East Stratcom Task Force versucht die EU-Sonderabteilung – mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland – die Flut an gegnerischer „Fake News“ und Desinformation einzudämmen. Im ORF-Exklusivinterview vom Juni 2018 anlässlich seines Wien-Besuchs hatte der russische Präsident Wladimir Putin solche Bedenken der Europäer, bezüglich staatlich-russischer Hackerangriffe gegenüber dem Westen zerstreut. „Wir verfolgen nicht das Ziel, etwas oder jemanden in der EU zu spalten“, so Putin. Man sei stattdessen daran interessiert, dass die EU als wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner „geeint ist und floriert“. Bei allem negativen Schlaglicht auf Russlands Aktivitäten in diesem Bereich dürfe aber nicht darüber hinweggesehen werden, dass derzeit entsprechend defensive wie offensive Cyberwar-Strategien [2] mit Hochdruck von allen relevanten Großmächten [3] entwickelt werden. (Auch Österreich hat zum Schutz kritischer Infrastruktur [4] eine dementsprechende Strategie ins Leben gerufen.) |