STEIGENDE GEOPOLITISCHE ROLLE DES SCHWARZEN MEERES

Update Mitte November 2022


Der aktuelle Krieg unterstreicht die Bedeutung des Schwarzen Meeres, dessen Kontrolle strategisch wichtig ist. Russland hat dort offene Ambitionen, die darauf abzielen, die Ukraine zu isolieren.[1] Das Montreux-Abkommen von 1936 schränkt Moskaus Möglichkeiten jedoch ein, während es der Türkei eine nicht zu unterschätzende Rolle zuweist.

Die internationale Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den Krieg an Land und die Tragödie, die das ukrainische Volk durchlebt. Wir sollten die Bedeutung dessen, was an der Küste und auf dem Meer geschieht, nicht unterschätzen, insbesondere das Schwarze Meer, das seit der Antike aufgrund seines Zugangs zu warmen Meeren ein mythischer strategischer Raum ist. Es ist auch für den Welthandel von entscheidender Bedeutung, vor allem für die Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen und Agrarprodukten aus den Anrainerstaaten (70% der weltweiten Getreideausfuhren und 80% der Sonnenblumenexporte stammen aus der Ukraine und Russland, Düngemittel nicht mitgerechnet). Die Militäraktionen sind nur ein Teil einer umfassenden Strategie, die die Globalisierung beeinflusst und aus der die russischen Streitkräfte wahrscheinlich geschwächt hervorgehen dürften.[2]

Die Russen setzen die Politik mit anderen Mitteln im Sinne von Clausewitz fort. Nach dem, was zunächst so aussah, als wolle er die gesamte Ukraine erobern, scheint sich der „Störenfried“ im Kreml, der russische Präsident Wladimir Putin, wieder auf die Schaffung einer Pufferzone zu konzentrieren, wobei der Küstenstreifen am Schwarzen Meer von besonders strategischer Bedeutung ist.

Die Eroberung der Krim im Jahr 2014 und die Aussicht, 2022 die Kontrolle über die gesamte ukrainische Küste und die ukrainischen Gewässer zu erlangen, selbst wenn dies nach internationalem Recht völlig illegal wäre, würde der Russischen Föderation einen großen Meeresraum jenseits des Asowschen Meeres verschaffen.

Im Meeresbereich der Schlangeninsel, einem 17 Hektar großen Stück Land im Süden Moldawiens, wo sich das Achilles-Schutzgebiet befindet, gibt es ein Süßwassergasfeld mit einem Volumen von mehr als 400 Milliarden Kubikmetern. Ein Streit mit Rumänien wurde vom Internationalen Gerichtshof zugunsten der Ukraine entschieden. Der Besitz der Insel verschafft legalen Zugang zu den Ressourcen unter dem ukrainischen und rumänischen Festlandsockel, einem sowohl wirtschaftlichen als auch strategischen Reichtum, der zudem eine Alternative zu russischem Gas beseitigt. Russische Truppen, die die Schlangeninsel kurz nach Beginn der Kampfhandlungen Ende Februar 2022 eingenommen hatten, zogen schließlich nach einige Zeit von der Insel ab. Ukrainische Einheiten nahmen daraufhin die Insel wieder in Besitz.[3]

Die Nachbarschaft zu Russland und die zukünftige Aufteilung der Gasressourcen erklären am besten den Vermittlungseifer der Türkei, die ihre diplomatische Offensive im östlichen Mittelmeer im Schwarzen Meer wiederholen will. Die Marine des NATO-Mitglieds hält sich im Schwarzen Meer jedoch sehr bedeckt.

Die Handelsschifffahrt kann unter sehr eingeschränkten und schwierigen Bedingungen fortgesetzt werden. Sie soll der russischen Blockade und den daraus resultierenden Minen entgehen. Schiffsrouten verbinden den Bosporus mit Odessa und Noworossijsk sowie über die Straße von Kertsch mit dem Asowschen Meer. Die russische Krim-Brücke, die seit 2018 die Meerenge überspannt, verbietet jedoch Schiffen mit einem Tiefgang von mehr als 33 Metern die Durchfahrt, wodurch große Massengutfrachter, die Getreide oder Mineralien transportieren, von der Ostukraine ausgeschlossen sind. Handelsschiffe zahlen einen hohen Tribut an den Krieg. Sie werden Opfer von Raketenbeschuss und Bombenangriffen. Am 1. April 2022 wurden etwa 40 große Massengutfrachter, die mit Getreide oder Sonnenblumenöl beladen waren, von der russischen Regierung in ukrainischen Häfen blockiert. Fast 200 Schiffe konnten das Schwarze Meer nicht verlassen. Dies hat destabilisierende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise und Nordafrika.


Beunruhigend ist dabei für China, dass die „Eisenbahn-Seidenstraße“ zwischen China und Europa unterbrochen ist, was zu einem Anstieg des Verkehrsaufkommens um 5-8% auf den Seerouten führt, die bereits stark überlastet sind. Die Nutzung der fast 10.000 km langen Eisenbahnstrecke, die über Moskau, Weißrussland und Polen nach Deutschland führt, wurde wegen der Gefahr von Sanktionen eingestellt. 

Eine Sondersitzung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) widmete sich am 10. und 11. März 2022 den Auswirkungen der Situation im Schwarzen Meer und im Asowschen Meer auf die Schifffahrt und die Besatzungen, die oft vergessen werden. Sie forderte Russland auf, die Sicherheit der Seeleute und die Sicherheit der internationalen Schifffahrt zu gewährleisten, einen sicheren Meereskorridor einzurichten, um Schiffe aus den Gebieten mit hohem Risiko abzuziehen und das Leid der Seeleute zu lindern. Bislang aber ohne nennenswerte Fortschritte.

Die Frachtraten steigen, während sich ein Mangel an Besatzungen in der Weltflotte abzeichnet, die zu 14,5% aus Russen und Ukrainern besteht, die fast 2 Millionen Seeleute ausmachen.

Zankapfel zwischen der Ukraine und Russland war und ist das schließlich durch UNO-Vermittlung zustande gekommene Getreide- und Düngerabkommen, um beiden Kriegsparteien die eigenen Ausfuhren über den Seeweg zu ermöglichen. So setzte Moskau am 29. Oktober 2022 das von der UNO und der Türkei vermittelte Abkommen mit der Ukraine zum Schiffsexport von Getreide offiziell auf unbestimmte Zeit aus und begründete den Schritt mit neuen ukrainischen Drohnenangriffen auf die russische Schwarzmeer-Flotte. Kiew sah darin einen „falschen Vorwand“ und forderte im Gegenzug von der UNO und den G-20-Staaten „Konsequenzen“.

Russland gab der Ukraine die Verantwortung für die Aussetzung des Abkommens zum Getreideexport über das Schwarze Meer. Die ukrainischen Streitkräfte hätten unter Deckung des humanitären Korridors für die Getreideausfuhren per Schiff Angriffe aus der Luft und vom Meer aus gegen die russische Schwarzmeerflotte verübt, so das russische Außenministerium in Moskau. Dabei sei die Infrastruktur des Flottenstützpunkts in Sewastopol auf der Halbinsel Krim beschossen worden.

Die ukrainische Regierung reagierte empört - sowohl auf den russischen Schritt als auch auf dessen Begründung. Kiew warf seinerseits Moskau vor, die Angriffe auf eigene Einrichtungen erfunden zu haben.

Schließlich lenkte Moskau nach intensiven Verhandlungen im Rahmen der UNO und unter türkischer Vermittlung ein und schloss sich dem Getreide- und Düngerabkommen wieder an.

Der offensichtlich von ukrainischer Seite ausgeführte Anschlag auf die russische Krim-Brücke am 8. Oktober 2022 markierte für den Kreml einen besonderen Wendepunkt des Krieges. Das Prestigeprojekt Putins ist die Straßen- und Eisenbahnverbindung zwischen der Halbinsel Krim in der Ukraine über die Straße von Kertsch zur Halbinsel Taman in der russischen Region Krasnodar. Die Straßenverbindung wurde im Mai 2018 offiziell eröffnet.  Die Freigabe für den eingeschränkten Bahnverkehr erfolgte im Dezember 2019. Mit 19 Kilometern Länge ist die Krim-Brücke die längste Brücke Europas.

Der russische Präsident Wladimir Putin beschuldigte den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion auf der Krim-Brücke. „Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war“, sagte der Kreml-Chef am 9. Oktober 2022. Bei der Vorbereitung des „Terroranschlags“ hätten russische Bürger und ausländische Staaten mitgeholfen, sagte der Chef der nationalen russischen Ermittlungsbehörde.

Als Vergeltung eröffnete Russland massive Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Städte im ganzen Land. Sollten die ukrainischen Angriffe weitergehen, werde Russland noch härter darauf antworten, erklärte Putin.

Ob Straßen- / Eisenbahn- oder Schifffahrtsinfrastruktur - das Schwarze Meer bildet nicht zuletzt in extremen Krisen- und Konfliktzeiten einen Hotspot geopolitischer Spannungen.


Unterseekabel - Internet

Auch was unter Wasser geschieht, nicht nur im Schwarzen Meer, gibt Anlass zur Sorge, und zwar wegen der Verwundbarkeit der Unterseekabel, über die das wichtigste Handelssystem der globalen Finanzwelt, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications (SWIFT), läuft, von der die meisten russischen Banken durch Sanktionen ausgeschlossen wurden. Die Sabotageakte gegen die Nordstream-Gaspipelines in der Ostsee sind ein deutliches Warnsignal.

Im Jahr 2014 hatte Russland die Kontrolle über die Internetinfrastruktur der Krim kurz vor deren Annexion übernommen. Russische Spezialeinheiten hatten einen Internetknotenpunkt in Simferopol besetzt und die Verbindungskabel gekappt.

Die NATO-Marineverbände bleiben natürlich auch im Raum präsent. Die NATO hat diesbezüglich in den letzten Jahren eine Reihe von Projekten durchgeführt. Russlands nukleare Drohung im Rahmen des Ukraine-Krieges beeinflusst auch die Haltung der westlichen Allianzmitglieder.

In absehbarer Zeit werden die Explosionen den Verhandlungen weichen müssen. In den Karten, die die Verhandlungsführer auslegen werden, ist ein möglicher Status von Odessa enthalten - wahrscheinlich der letzte Seezugang der Ukraine, dessen freier Zugang unter der Schirmherrschaft der UNO von einem Panel nicht direkt betroffener Länder garantiert werden müsste. Wie man sieht, ist das, was auf dem Meer geschieht, weniger spektakulär als an Land, aber für die Zukunft einer globalisierten Welt von entscheidender Bedeutung.


Abgeschlossen: Mitte November 2022

STEIGENDE GEOPOLITISCHE ROLLE DES SCHWARZEN MEERES


In der Region des Schwarzen Meeres kollidierten historisch schon immer ökonomische, politische und militärische Interessen der Mächte. Deshalb sind heute in der Region eine Reihe von Mechanismen für Dialog, Kooperation und bessere Verständigung zwischen den verschiedenen Akteuren im erweiterten Kontext von NATO und EU eingerichtet worden. Die Gewährleistung von regionaler Sicherheit bedeutet eine kontinuierliche Beobachtung der Lageentwicklung der nationalen Entscheidungsträger in der Region, aber auch im Rahmen der euro-atlantischen Sicherheitsforen. Nicht zuletzt aufgrund verstärkter aggressiver Aktionen Russlands in der Schwarzmeer-Region in Verbindung mit der Ukraine-Krise, aber auch im Kontext von terroristischen Aktivitäten und erhöhter Migration hat sich die Sicherheitslage dort deutlich verschlechtert. Dazu kommen kriminelle Netzwerke, die hier operieren. Die Balkan-Region ist zudem eine Transitzone für radikale Elemente, die ihren Weg nach Westeuropa suchen. Hier besteht die Gefahr, dass diese radikalen Individuen oder auch Gruppen weitere Terroranschläge in den westlichen Aufnahmeländern unternehmen könnten.

Die Schwarzmeeranrainerländer Ukraine und Russland hatten in einem Vertrag von 2003 die freie Durchfahrt ihrer Schiffe durch die Straße von Kertsch ins Asowsche Meer verankert. Aber die Ukraine verfügt nicht über die Mittel, ihre Interessen militärisch durchzusetzen. Die ukrainischen Marineverbände sind noch immer geschwächt durch den Verlust der Krim, wo sich auch ihre wichtigsten Stützpunkte befanden. 70 Prozent des ukrainischen Schiffsbestands gingen damals verloren. Russland hat damit begonnen, das Asowsche Meer faktisch als Binnenmeer zu behandeln und die Handelsrouten zu den ukrainischen Häfen abzuschnüren. Das Asowsche Meer ist dabei nur ein Nebenschauplatz. Im Fokus des Kremls ist vielmehr der gesamte  Schwarzmeer-Raum, in dem sich Russland als Hegemonialmacht versteht. Hier überkreuzen sich die Machtinteressen Moskaus mit jenen der NATO. Obwohl unter den Anrainern des Schwarzen Meeres drei Mitglieder des Nordatlantikpakts – die Türkei, Bulgarien und Rumänien – eine weitaus längere Küste kontrollieren als Russland, hat Moskau es mit der Annexion der Krim geschafft, eine klare Dominanz zu erlangen.

So zeigte sich Rumänien im Anschluss an den Gipfel von Wales 2014 bereit, klare Schritte zu unternehmen, um für den Zusammenhalt, die Bestimmungen und die Widerstandsfähigkeit der Organisation beizutragen. 2018 erreicht die Multinationale Brigade Südost (Multinational Brigade South-East), die in Craiova stationiert ist) ihre operative Leistungsfähigkeit. Im Rahmen der Air Combined Training Initiative haben sich die NATO-Partner Großbritannien, Kanada und Portugal darüber verständigt, die rumänischen Kräfte bei der regionalen Luftraumüberwachung zu unterstützen.

Die Black Sea Rotational Force (BSRF) ist eine rotierende multilaterale Einheit im Bereich der Sicherheitskooperation zwischen dem US-Marine Corps und Partnerländern in den Schwarzmeer-, Balkan- und Kaukasusregionen, um die kollektiven militärischen Kapazitäten der Teilnehmer zu erhöhen, regionale Stabilität zu fördern und die Beziehungen zu den Partnerländern zu vertiefen. Die rumänischen Streitkräfte unternehmen vor diesem Hintergrund erhöhte Anstrengungen, um die einzelnen Teilstreitkräfte an die NATO-Standards heranzuführen.[1]

Die Schwarzmeer-Region an den Wegkreuzungen von Orient und Okzident steht heute vor wachsenden strategisch-politisch-ökonomischen Veränderungen und Herausforderungen. Die Region ist Teil einer entstehenden Energie-Drehscheibe, die aus einer Vielzahl von Energieprojekten besteht. Deshalb haben viele internationale Akteure verstärkte primär ökonomische Interessen vor Ort. Gleichzeitig befinden sich an den Grenzen des Gebietes um das Schwarze Meer eine Reihe von sogenannten „eingefrorenen Konfliktzonen“. Zu nennen sind neben den Entwicklungen in der Ost-Ukraine und auf der Krim, die Konflikte in Südossetien, Abchasien, Nagorni-Karabach und Transnistrien. Bulgarien verfolgt als aktives Mitglied der NATO und EU eine pragmatische und auf Ausgleich ausgerichtete Außenpolitik, um möglichst langfristig Südosteuropa und die Schwarzmeer-Region zu stabilisieren. Parallel dazu versucht etwa Bulgarien die europäischen Standards in den Beziehungen mit den dortigen Anrainerländern zu festigen. An der externen Grenze von NATO und EU liegt Bulgarien an der Weggabelung zweier strategischer Ausrichtungen: Strategische Orientierung OST und Strategische Orientierung SÜD. Die bulgarischen Streitkräfte sind eingebettet in die erhöhte Präsenz der NATO-Kräfte im Großraum. Dazu zählen etwa die Entsendung von eigenen Soldaten in das Hauptquartier für eine multinationale Brigade mit Sitz in Rumänien sowie vermehrte gemeinsame NATO-Manöver mit Land-, Luft- und Seestreitkräften in Bulgarien und Rumänien und eine erhöhte Präsenz permanenter maritimer Plattformen des Bündnisses im Schwarzen Meer. Um die Fähigkeiten zur Anpassung an die sich veränderte Sicherheitsumgebung im Raum zu verbessern, hat die NATO verschiedene, sogenannte „Force Integration Units“ an den östlichen Grenzen der Allianz (einschließlich in Bulgarien) installiert. In der Verantwortung dieser Einheiten liegen die wichtigen Aufgaben der aktuellen Lageerkennung, die Koordination im Training und bei Übungen sowie die Bereitstellung und Stationierung von NATO-Kräften auf dem Territorium des Gastgeberlandes. Dazu kommen noch die Unterstützung der kollektiven Verteidigungsplanungen und ihre Synchronisierung mit den nationalen Planungsprozessen im Lande selbst. Um die Kapazitäten und Fähigkeiten der bulgarischen Streitkräfte im Rahmen einer besseren Koordinierung in der NATO zu verbessern, wurde ein Programm zum Kapazitätenaufbau der Streitkräfte (Programme for Armed Forces Capabilities Development) bis zum Jahr 2032 auf die Beine gestellt. In Anlehnung an die Entscheidungen des NATO-Gipfels von Wales 2014 hat auch Bulgarien einen Plan entwickelt, um die eigenen Verteidigungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Aus bulgarischer Sicht ist es von zentraler Wichtigkeit, dass NATO und EU ihr starkes Engagement für Stabilität und Sicherheit im Großraum wahren und die europäische wie euro-atlantische Integration des Westbalkans fördern und vertiefen.[2]

In den östlichen Teilen Mitteleuropas geht die Angst vor einem wiedererstarkten Russland und seinen immer weiter ausgreifenden Machtprojektionen nach Westen um. Damit verbunden ist, dass man in Staaten wie Polen und Rumänien unter Nutzung der NATO-Mitgliedschaft nach mehr Sicherheitsgarantien der USA verlangt und sie in Form von Waffen- und Truppenstationierungen auch erhält. Die von Brüssel initiierten Bemühungen um eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik hingegen werden nicht als Alternative, sondern oft als unzulässige Einmischung in die eigene nationalstaatliche Souveränität gesehen.[3]


Rumäniens Ambitionen

Im Jänner 2015 handelte der rumänische Präsident Klaus Johannis ein parteienübergreifendes Abkommen aus, um die 2%-Schwelle des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigungsausgaben mit 2017 zu erreichen und für die nächsten zehn Jahre auf diesem Niveau zu halten. So erhöhte Rumänien seine Verteidigungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2017 im Wert von 3,6 Milliarden Euro. Gemäß dem rumänischen Verteidigungsministerium würden nun große Teile der Gelder für militärische Investitionen und Neuanschaffungen ausgegeben. Doch sollten diese Ankündigungen nicht allzu ernst genommen werden. Denn die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Gelder dann am Ende doch nicht für diese Zwecke ordnungsgemäß eingesetzt worden sind. Dabei muss daran erinnert werden, dass Rumänien ein Jahrzehnt der eklatanten Unterfinanzierung des Rüstungs- und Verteidigungsressorts zu überwinden hat. Es muss in erster Linie die gesamte Streitkräftestruktur erneuert werden. Zudem müsse die staatliche Verteidigungsindustrie restrukturiert werden. Diese Versäumnisse dulden nun keinen Aufschub. Dem staatlichen Rüstungssektor gingen in den letzten Jahren viele notwendige Einnahmen verloren. Als Folge mussten einige Unternehmen den Bankrott anmelden. Jedes Ausrüstungsstück (vom Sturmgewehr bis zur Raketenabwehr) muss erneuert werden. Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Zudem gibt es keine Garantie, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Kritiker misstrauen zudem den Fähigkeiten des rumänischen Verteidigungsministeriums, mit einem deutlich vergrößerten Budget gut umgehen zu können. So etwa wurde der Vergabeprozess für den Kauf von 18 leichten Anti-U-Boot-Torpedos seit 2014 dreimal annulliert. Die Modernisierung eines mechanisierten Infanteriebataillons mit Piranha II Radschützenpanzern dauerte rund ein Jahrzehnt. Die lange erwartete Vergabe zur Modernisierung der britischen Type 22-Fregatten, die Rumänien 2003 gekauft hat, ist 2017 aus Kostengründen gestoppt worden.  Jetzt geht es als NATO-Partner darum, die eigene Glaubwürdigkeit im Bündnis gegenüber den eigenen Verpflichtungen und Ankündigungen zu wahren. Zu den großen Beschaffungsprogrammen zählen unter anderem Boden-Luft-Raketen-Systeme  für die Land- und Luftstreitkräfte; Nahbereichsradarsysteme; mobile Startanlagen für Anti-Schiff-Raketen; 4 Mehrzweck-Korvetten (ausgerüstet unter anderem mit Anti-Schiff-Flugkörpern; C4I-Systeme mit Kapazitäten zur Zielerfassung, Überwachung und Aufklärung  - ISTAR); gepanzerte Mannschaftswagen (8x8, 4x4); die Modernisierung der MLI-84M Schützenpanzer (ehemals sowjet-russischer Bauart); und Mehrfachraketenwerfersysteme. Der US-Konzern Bell Helicopter hat Rumänien zudem ein Angebot für moderne AH-1Z VIPER Kampfhubschrauber gemacht, die die alte PUMA-Helikopter-Flotte ersetzen sollen.[4]

Es wird sich erst zeigen, ob die ambitionierten Vorhaben im rumänischen Rüstungssektor auch in die Realität umgesetzt werden können.


Bulgariens Ambitionen

Das NATO-Land Bulgarien versteht das vom westlichen Verteidigungsbündnis angestrebte 2%-Ziel des Bruttoinlandsproduktes eines Staates für das Militärbudget der NATO nur als „Richtwert“ und „Annäherung“ – und nicht als Verpflichtung.  Erschwerend für neue Rüstungsbeschaffungen ist die Tatsache, dass rund 70% der staatlichen Zuwendungen für die Streitkräfte in Personalfragen fließen.[5]

Die Zukunft der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU wird von Sofia als ein Aspekt der Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprojekts angesehen. Internationaler Terrorismus, illegale Migration, die Unwägbarkeiten der Trump-Administration, die Entwicklung des Ukraine-Konflikts und die Bedrohungsgefühle, die einige der post-sowjetischen Länder gegenüber Russland seitdem empfinden, sind einige der bedeutendsten Komponenten der veränderten sicherheitspolitischen Koordinaten, welche die Effizienzsteigerung der EU-Verteidigungskapazitäten voraussetzt, hielt der bulgarische Präsident Rumen Radew etwa bei einer Veranstaltung der Friedrich Ebert Stiftung mit dem Titel „Together in Security“ am 16. Oktober 2017 fest.

Um als zuverlässiger und effizienter Partner innerhalb von NATO und GSVP agieren zu können, müssen die bulgarischen Verteidigungsstrukturen signifikant verbessert werden.

Dennoch sind die Rüstungsexporte Bulgariens insbesondere in die krisengeschüttelte Region des Mittleren Ostens nicht unbedeutend und dürften solange weiter florieren, solange vor allem in Syrien weitergekämpft wird.

Insbesondere die rumänischen und bulgarischen und auch die türkischen Streitkräfte an der südöstlichen Flanke der NATO stehen vor dem Hintergrund erhöhter machtpolitischer Muskelspiele Moskaus im Raum deshalb vor besonderen komplexen Aufgaben, um im Rahmen des westlichen Verteidigungsbündnisses die Stabilität im Großraum wahren zu können. Zudem haben die USA mittlerweile ihre maritimen Operationen im Schwarzen Meer erhöht, allerdings unterhält die US-Navy dort keine permanente Präsenz.


Abgeschlossen: 31. Juli 2019

Weiterführende LINKS:

Iulia-Sabina Joja, „Dealing with the Russian Lake Next Door: Romania and Black Sea Security.“ In: Texas National Security Review 8/2018.

Sevdalina Dimitrova / Stoyko Stoykov / Rumen Marinov, Black Sea Region and European Security Policy – DE GRUYTER OPEN International Conference KNOWLEDGE-BASED ORGANIZATION 26. July 2018 [PDF]

Security in the Black Sea Region [PDF]

Bulgaria and Black Sea Security - Sipri [PDF]

Military Balance in the Black Sea Region

The Black Sea region: a critical intersection - NATO

Country Profiles - Bulgaria - European Strategic Observatory

A NATO Strategy for Security in the Black Sea Region - Atlantic Council [PDF]

Janusz Bugajski and Peter Doran, Black Sea Defended – NATO Responses to Russia’s Black Sea Offensive – Center for European Policy Analysis July 2016

ICS Bulgaria - United States Department of State [PDF]

Black Sea Security Brief - Atlantic Treaty Association

BLACKSEAFOR / Rep. of Turkey Ministry of Foreign Affairs

Facing Russia's strategic challenge: Security developments from the from the Baltic to the Black Sea - DIRECTORATE-GENERAL FOR EXTERNAL POLICIES POLICY DEPARTMENT European Parliament November 2017 [PDF]

Security in the Black Sea Region_Shared Challenges, Sustainable Future Program, Background paper on the current situation in the Black Sea Region. Bucharest/Romania May 2018 [PDF]

Dinu PĂDURARIU / Nicolae CREȚU/ Eduard MIHAI, MARITIME SECURITY THREATS IN THE BLACK SEA REGION - Review of the Air Force Academy 3/2017 [PDF]

Samir Puri, Romania: Black Sea Security and NATO’s South-Eastern Frontline. [PDF]

National Security Strategy of the Republic of Bulgaria [PDF]

Why the Black Sea? - Foreign Policy Research Institute

Security in the Black Sea Region: Main Risks and Threats | GEES

Black Sea Region (Crimea) - ISIS [PDF]


Anmerkungen:

[1] Nicolae-Ionel Ciuca, „SECURITY DEVELOPMENTS IN THE WIDER BLACK SEA REGION“. In: European Security & Defence 3/2018, S. 23-26.

[2] Andrey Botsev, „BULGARIAN ARMED FORCES IN THE CONTEXT OF SECURITY CHALLENGES IN THE BLACK SEA REGION“. In: European Security & Defence 4/2018, S. 27-29.

[3] Emil Brix / Erhard Busek, „ZEIT FÜR EINE NEUE EUROPÄISCHE SICHERHEITSARCHITEKTUR“. In: Europäische Rundschau 1/2018, S. 15-19.

[4] Eugene Kogan, „ROMANIAN PROCUREMENT PROGRAMMES: WISH LIST VERSUS (SOBER)REALITY“. In: European Security & Defence 12/2017, S. 86-88.

[5] Eugene Kogan, „BULGARIAN PROCUREMENT AND ARMS EXPORTS“, European Security and Defence 4/2018, S. 44-46.