GRÖNLAND IM FOKUS DER USA UND CHINAS


Die mit über zwei Millionen Quadratkilometer große Insel Grönland gehört mit seinen 56.000 Einwohnern als teilautonomes Gebiet zum Königreich Dänemark. Es ist mit zwei Abgeordneten im dänischen Parlament vertreten und hat eine eigene Regierung, die von den Grönländern alle vier Jahre gewählt wird. Der dänisch-grönländische Vertrag von 2009 erlaubt den Inselbewohnern ein Unabhängigkeitsreferendum, das vom Parlament in Kopenhagen gebilligt werden muss. Grönland verwaltet sich mit Ausnahme der außen- und sicherheitspolitischen Fragen selbst, erhält von Kopenhagen jedoch eine Subvention von fast 505 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht rund einem Viertel des grönländischen Bruttoinlandprodukts oder mehr als der Hälfte der öffentlichen Ausgaben.

Mit dem Abschmelzen des Meereises in der Arktis-Region rückt auch Grönland immer mehr als „zentraler Umschlagplatz“ für künftige ökonomische Aktivitäten im globalen Handel in den Fokus Chinas, aber auch der USA.

US-Präsident Donald Trump sorgte Mitte August 2019 mit seinem Vorstoß, dass die Vereinigten Staaten für einen eventuellen Kauf Grönlands interessiert seien, weithin im In- und Ausland für Verwunderung. „Strategisch gesehen wäre das interessant“, so Trump am 18. August gegenüber Reportern. Er verglich den Kauf von Grönland mit einem „großen Immobilien-Deal“, und betonte: „Wir haben Interesse.“ Um kurz danach via Twitter festzuhalten: „Ich verspreche, das nicht mit Grönland zu machen!“ - keinen Trump-Tower dort zu errichten.

Grönland und Dänemark wiesen die Trumps Gedankenspiele eines Verkaufs entschieden zurück. Die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen betonte, dass die Insel nicht zum Verkauf stehe. „Grönland ist nicht dänisch. Grönland gehört Grönland“, so Frederiksen. Und von Seiten der grönländischen Regierung hieß es: „Wir sehen das als Ausdruck eines größeren Interesses, in unser Land und die Möglichkeiten, die wir bieten, zu investieren. Natürlich steht Grönland nicht zum Verkauf.“ 

Trump sagte schließlich seinen geplanten Staatsbesuch in Dänemark ab und begründete dies damit, dass die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen nicht über einen Verkauf Grönlands reden wolle.

„So spricht man nicht mit den Vereinigten Staaten – zumindest unter mir“, sagt Trump danach vor Reportern im Weißen Haus. Der Präsident kritisierte mehrfach, dass die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen seinen Vorschlag, Grönland zu kaufen, als „absurd“ bezeichnet hatte. Trump nannte diese Äußerung „böse“ und „unangemessen“.

Hintergrund von Trumps Überlegungen ist das merklich ansteigende geostrategische und geoökonomische Kräftemessen der Großmächte in der Arktis-Region. Vor allem China hat höchstes Interesse, auch in Grönland Fuß zu fassen.

Der frühere US-General Wesley Clark betonte etwa in den dänischen Medien, Washington habe große Sicherheitsinteressen in der Arktis, und es gebe diplomatische Wege, den Zugang der USA zu dieser Region zu verbessern. In der Nordpolarregion ist Amerika nämlich vom Tatendrang und der Wucht überrascht worden, mit der Peking arktische Schifffahrtswege als wesentlichen Teil seiner „Neuen Seidenstraßen“-Initiative sieht und sich damit politische und ökonomische Vorteile zu schaffen trachte. Peking interessiert sich schon seit längerer Zeit an der Finanzierung und Realisierung diverser Infrastrukturprojekte. Mit der Einladung des grönländischen Premierminister Kim Kielsen nach Peking unterstrich die chinesische Führung, dass es ihr wirklich Ernst sei. Doch dann unterband aber die dänische Regierung diese Annäherung Grönlands an China, die eben in außen- und sicherheitspolitischen Belangen das letzte Wort hat. Dänemark wollte vermeiden, dass Grönland in eine potenzielle Schuldenfalle tappen und von China abhängig werden könnte. Schließlich ging es aus strategischer Sicht darum, dass  sich auf der Insel künftig amerikanische Sicherheits- und chinesische Geschäftsinteressen auf Kollisionskurs bewegen könnten.

Auch Russland ist gerade im Begriff, in der Region mit Hilfe von vermehrten eigenen Stützpunkten und mit modernster Technik ein militärisches Dispositiv aufzuziehen, um nicht zuletzt die entlang seiner arktischen Küste verlaufende Schifffahrtsroute der Nordostpassage zu kontrollieren. Ein für September 2019 geplantes russisches Großmanöver, „Zentr-2019“, soll diesen militärischen Anspruch einmal mehr untermauern. Den USA hingegen fehlen ausreichende Kapazitäten namentlich bei den Eisbrechern, dem wichtigsten Instrument, um im Arktischen Ozean mehr Präsenz zu zeigen. Die USA besitzen aber mit dem Militärstützpunkt Thule bei der ehemaligen Siedlung Pituffik hoch im Nordwesten Grönlands auch einen unschätzbaren strategischen Trumpf. Im Zweiten Weltkrieg nutzten die USA die Insel unter anderem für die Luftbrücke über den Atlantik. Die aus Flugplatz und Tiefseehafen bestehende Basis ist ein wichtiger Standort nicht nur für Radaranlagen des amerikanischen Raketenabwehr-Frühwarnsystems, sondern auch ein Ausgangspunkt für die Abdeckung der Hocharktis im Fall eines militärischen Konflikts in der Region. Eine zweite Basis rund 1200 Kilometer weiter südlich, Sondrestrom, wurde von den USA von 1941 bis 1992 betrieben und dann an Grönland übergeben. Sie dient Grönland heute als ziviler Hauptflughafen Kangerlussuaq, den die US Air Force weiterhin mitbenützen darf.


Aus historischem Blickwinkel wirken die jüngsten Kaufabsichten der Vereinigten Staaten allerdings nicht ganz so abwegig. 1876 hatten die USA für damals 7,2 Millionen Dollar Alaska von Russland gekauft, um die strategische Expansion Amerikas voranzutreiben. 1803 ging das riesige Gebiet Louisiana von Frankreich an die USA – der Preis: rund elf Millionen Dollar. 1819 bekam Washington für fünf Millionen Dollar Florida von Spanien und verzichtete im Gegenzug auf Ansprüche in Texas.

Und auch bezüglich Grönlands hatten die USA schon einmal in den 1860er-Jahren Kaufinteresse signalisiert. Dieser scheiterte jedoch. Nach dem Zweiten Weltkrieg boten die USA 100 Millionen Dollar für Grönland, das Gebiet sei für Dänemark doch „völlig wertlos“. Ob Kopenhagen auf dieses Angebot reagierte, war aus den US-Dokumenten, die erst 1991 veröffentlicht wurden, nicht erkenntlich. Zudem soll in den 1970er-Jahren Vizepräsident Nelson Rockefeller erneut solche Überlegungen angestellt haben.


Jedenfalls dürfte Washington nach längerer Passivität nunmehr angesichts der verstärkten Aktivitäten Pekings und Moskaus in der Arktis-Region einmal mehr den strategischen Wert Grönlands, wo zudem viele Bodenschätze unter dem Eis vermutet werden, erkannt haben.


Nach der Absage des Dänemark-Besuchs durch den US-Präsidenten war Washington gegenüber dem NATO-Partnerland Dänemark wieder um eine Harmonisierung der beiderseitig angespannten Beziehungen bemüht. In einem Telefont mit seinem dänischen Amtskollegen Jeppe Kofod am 21. August hob US-Außenminister Mike Pompeo die überaus wichtige Kooperation mit Dänemark - einschließlich Grönlands - in der Arktis hervor.


Abgeschlossen: Mitte Jänner 2020