DIE IRANISCHEN REVOLUTIONSGARDEN IM DIENSTE DER REVOLUTION


Die Elitetruppe der Iranischen Revolutionsgarden war nach der islamischen Revolution 1979 aus informellen Milizen gegründet worden, um die Machtstrukturen der neu gegründeten Islamischen Republik zu wahren und zu festigen. Seitdem sind die „Pasdaran-e Sepah-e Enqelab“ („Armee der Wächter der Islamischen Revolution“) zu einer schlagkräftigen Parallelstreitkraft mit zahlreichen Verzweigungen in Politik und Wirtschaft geworden, die oft außerhalb der Kontrolle der iranischen Regierung agiert. Ein „tiefer Staat“ im Staat also, der insbesondere auch im Bau-, Finanz-, Erdöl- und Kommunikationsbereich tief verwurzelt ist und auch bis in die Schattenwirtschaft des Landes seine Fühler ausgestreckt hat. Bisher sind alle politischen Versuche missglückt, das aufgebaute „Wirtschaftsimperium“ der Revolutionswächter einzudämmen. Seit der Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad (2005-2013) haben die Revolutionswächter ihren Einfluss in Parlament, Regierung und Verwaltung des Landes entscheidend vertieft, sodass heute in der Politik niemand mehr an den Militärs vorbeikommt. Vielerorts übertrifft ihr Einfluss längst jenen des schiitischen Klerus, betonen Experten und bezeichnen die Islamische Republik mittlerweile als „klassische Militärdiktatur“.

Nachdem die Tötung von General Kassem Soleimani durch die USA Anfang Jänner 2020 durch eine Kampfdrohne am Flughafen von Bagdad zwischenzeitlich zu einer Welle des Nationalismus im Iran geführt hatte und das Mullah-Regime alles unternahm, um daraus eine besondere Inszenierung zur Festigung der eigenen Fundamente der militärisch-politisch-ökonomisch-gesellschaftlichen Macht im Iran zu machen, so wurde kurz darauf mit dem (versehentlichen) Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord nahe Teheran durch die Revolutionsgarden wieder verstärkt Kritik an den Aktivitäten der Revolutionswächter im In- und Ausland laut.

Vor allem leugnete das Regime anfänglich hartnäckig den eigenen Abschuss der Maschine und beschuldigte vielmehr die USA, absichtliche „Falschmeldungen“ zu streuen, um die Spannungen zwischen Amerika und der Islamischen Republik weiter anzuheizen. Schließlich mussten auch die Revolutionsgarden zugeben, dass Ihnen ein folgenschwerer Fehler unterlaufen sei. Die Revolutionswächter müssten sich für den Abschuss und das verspätete Eingeständnis ihrer Schuld bei der eigenen Bevölkerung entschuldigen, forderte der iranische Präsident Hassan Rohani in einer seltenen Fernsehansprache. Er kündigte zudem ein Sondertribunal zur Aufklärung der Vorgänge, die zum Abschuss der ukrainischen Boeing geführt hatten, an. Das iranische Volk müsse erfahren, warum der Fehler erst drei Tage später zugegeben wurde, verlangte Rohani in ungewöhnlichem Ton.


Die Revolutionsgarden unterstehen nicht der iranischen Regierung, sondern dem Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei, der in wichtigen Fragen der nationalen Sicherheit die Entscheidungen trifft. Die „Speerspitze“ der politisch-militärischen Machtexpansion des schiitischen Irans im Nahen und Mittleren Osten sind die Kuds- (Quds = Jerusalem)Einheiten (Niru-ye Quds oder Sepah-e Quds) der Revolutionsgarden. Seit Anfang der 1990er Jahre agieren die Quds-Einheiten im Dienste der Vertiefung der politischen, militärischen und geheimdienstlichen Beziehungen zu den weitgehend sunnitisch geprägten Nachbarländern Irans und unterstützen hier insbesondere mehr oder weniger verdeckt die dortigen proiranischen Akteure und schiitischen Minderheiten.

Als Kommandant der Kuds-Brigaden hatte Soleimani ein Netzwerk aus proiranischen Milizen und Parteien im Irak, in Syrien, Libanon und Jemen aufgebaut und damit Irans Einfluss erheblich ausgeweitet. Viele Iraner verehren Soleimani deshalb als Nationalhelden, doch seine aggressive und kostspielige Regionalpolitik stieß auch auf Ablehnung. Aufgebrachte iranische Demonstranten fragten sich in den aufgewühlten Tagen nach dem Bekanntwerden des Abschusses der Passagiermaschine durch die Garden, warum Iran Milliarden zur Unterstützung schiitischer Milizen im Ausland ausgebe, wenn es zu Hause an Arbeit und Geld für Bildung, Gesundheit und Renten fehle.

Der Macht der Revolutionswächter war bisher gegenüber solcher Kritik mehr oder weniger unantastbar. Ihr Aufstieg begann während des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988). Da die regulären Streitkräfte nach der Revolution durch die Inhaftierung, Hinrichtung oder Desertion vieler Angehöriger des Offizierskorps geschwächt waren, sprangen die Pasdaran in die Bresche. Während des verlustreichen Kriegs gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein bauten sie professionelle Strukturen auf und gründeten eigene Boden-, See- und Luftstreitkräfte. War das Verhältnis der Pasdaran und der regulären Armee in den ersten Jahren noch von Rivalität bestimmt, so kooperieren beide Strukturen heute eng miteinander. Während sich das reguläre iranische Militär insbesondere der Landesverteidigung verpflichtet fühlt, ist die Aufgabe der stärker ideologisch geprägten Revolutionswächter die Verteidigung des Systems im In- und Ausland – als eine „politische Armee“ und Instrument des Regimes. Heute verfügen die Revolutionsgarden über 190.000 Soldaten, während die regulären Streitkräfte 420.000 Mann umfassen. Hinzu kommen noch einmal 450.000 Reservisten als Teil der Bassij-Milizen, die ebenfalls den Revolutionswächtern unterstellt sind und eine Art vorgelagerte „Schlägertruppe“ der Revolutionsgarden darstellen, die mit besonderer Brutalität insbesondere bei Protesten auf den Straßen gegen eigene Bürger vorgeht. Die 1990 gegründeten Kuds-Brigaden sind mit rund 5000 Mann relativ klein. (Andere Schätzungen gehen von 10.000 bis 20.000 Mann aus.) Doch für Irans Regionalpolitik spielt die Einheit für Auslandeinsätze, die Soleimani jahrelang kommandierte, eine zentrale Rolle. Um die militärische Unterlegenheit des Irans bei konventionellen Waffensystemen auszugleichen, setzt sie vor allem auf Guerilla-Strategien und auf hybride Kriegsführung.

Besonders für den Einsatz in Syrien gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad rekrutierten die Kuds-Brigaden neben Iranern auch Freiwillige aus Afghanistan und dem Libanon. Außerdem greifen die Kuds-Einheiten der Schiitenmiliz Hisbollah im Südlibanon kräftig unter die Arme, die sie in den 1980er Jahren mitgegründet hatte.

Da die Revolutionsgarden ihren „tiefen Staat“ im In- und Ausland zur Vertiefung und Erweiterung der Islamischen Revolution weiterhin den Segen des iranischen Klerus mit Khamenei an der Spitze genießen, wird sich an den Machtverhältnissen im Iran höchstwahrscheinlich in naher Zukunft nicht viel ändern - auch wenn der im US-Exil lebende iranische Ex-Kronprinz Reza Pahlavi erwartete, dass es im Iran in den kommenden Monaten des Jahres 2020 zu einem völligen Umsturz kommen würde wie einst 1979.

Das Mullah-Regime wird vielmehr alles daransetzen, um mit eiserner Faust alle Regungen des Widerstandes im Iran tunlichst nicht aufkommen zu lassen.  

Angesichts der vor allem auch im Iran stark um sich greifenden Infektionen mit dem Corona-Virus werden nunmehr verstärkt Einheiten der Revolutionsgarden eingesetzt, um eine weitere Ausbreitung der Erkrankungen in der iranischen Gesellschaft möglichst zu unterbinden.


Abgeschlossen: Anfang März 2020