DIE USA UND DIE INFORMATIONSKRIEGSFÜHRUNG
Digitale Kriege sind real und die Vereinigten Staaten sind ein Hauptziel. Angesichts der hybriden Angriffe zielen die Reaktionen darauf ab, Gegner abzuschrecken, aber auch direkte Maßnahmen zu ergreifen. Amerikanische „Soft Power“ in diesem Bereich ist eine Quelle der Überlegenheit, aber auch der Zerbrechlichkeit, da die Instrumente eingesetzt werden, um denen entgegenzutreten, die sie entworfen haben. [1]
Digitale Kriege erfordern die Bekräftigung der Souveränität der USA und ihrer westlichen Verbündeten und Partner im Cyberspace zu einer Zeit, in der ihre (zivile und militärische) Infrastruktur bedroht ist. [2] Die Behauptung einer cyberoffensiven Haltung Amerikas ist Teil einer Abschreckungsstrategie gegen die wichtigsten gegnerischen Mächte (Russland, China, Iran, Nordkorea) und trägt bis zu einem gewissen Grad zur Beruhigung der Mittelmächte bei, deren Verteidigungsinfrastrukturen im Kontext hybrider Konflikte besonders ins Visier genommen werden. [3]
Im Februar 2019 verkündete die Washington Post, wie in amerikanischen politischen Kreisen seit mehreren Monaten gehofft worden war, dass es dem amerikanischen Militär im Herbst 2018 gelungen sei, die Internet-Forschungsagentur in St. Petersburg „abzuschalten“ und damit den reibungslosen Ablauf der Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten zu schützen, indem es die Schädigung derjenigen verhinderte, die eine russische Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 befürwortet hätten. Dieser angebliche journalistische Knüller, über den in den internationalen Medien und sozialen Netzwerken ausführlich berichtet wurde, bestätigte ein seit mehreren Wochen in Washington kursierendes Gerücht über die Fähigkeit des Cyber Command der Vereinigten Staaten und der NSA der Trump Administration, „muskulöse“ Operationen durchzuführen, um offensiv gegen mögliche Hacker vorzugehen, die mit dem Kreml in Verbindung stehen. Diese Operation war Teil der als „Interagency“ bezeichneten Bemühungen der gesamten amerikanischen Regierung, dem russischen Einfluss auf den Wahlprozess 2018 entgegenzuwirken. Das Heimatschutzministerium (Department of Homeland Security), das Außenministerium, das Justizministerium und das FBI arbeiteten unter dem Kommando von General Paul Nakasone zusammen. Diese von Cybercom (dem zehnten gemeinsamen Kommando seit 2018) geführte Einschüchterungsaktion erfolgte in Form einer digitalen Nachrichtenkampagne, die sich an mutmaßliche Hacker richtete, um sie „davon abzubringen, sich durch Desinformation in den Wahlprozess einzumischen“.
Die „Informationskampagne“ im Zusammenhang mit dieser Gewaltdemonstration im Cyberspace spiegelte den Wunsch der US-Regierung und des US-Kongresses wider, die Einschüchterungs- und Abschreckungskapazität der Vereinigten Staaten im fünften Bereich des Kampfes gegen den Terrorismus zu vermitteln, der in der US-Doktrin genannt wird. Diese war daher Teil von STRATCOM und spiegelte die Entwicklung der öffentlichen Debatte über Informationsoperationen (Info Ops) und computergestützte Gegenmaßnahmen wider, die beide heute traditionelle Instrumente der psychologischen Kriegsführung für die amerikanische Doktrin sind. Seit einigen Jahren (2011-2019) sind diese Debatten transparenter geworden, wie man an den Anhörungen des Kongresses über die Offensivfähigkeit des US-Militärs im Cyberspace sehen kann.
Die USA haben zwar die Informationskriege nicht verloren, aber sie haben dennoch ihren komparativen Vorteil bei der Kontrolle der Informationsflüsse eingebüßt - die Verwundbarkeit ihrer digitalen Systeme im Falle einer politischen oder geopolitischen Krise wird deutlich. Die USA wurden in der Trump-Ära durch den „Bumerang-Effekt“ Opfer einiger Schlüsselelemente ihrer eigenen „Soft Power“. Ihre Fähigkeit, Technologien zu schaffen, die die Nutzung digitaler Werkzeuge durch ihre Gegner fördern, ist zur Achillesferse ihrer Verteidigungsarchitektur geworden. Dementsprechend müssen die USA nun die nötigen Schritte unternehmen, um diese Schwachstellen auszumerzen. [4]
Russland und China als Herausforderer Amerikas, aber innerhalb ganz bestimmter Grenzen
Während sich die politischen Strategien Chinas [5] und Russlands in Bezug auf die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect - R2P) ähneln, zeigen die beiden Länder nuancierte Unterschiede im Umgang mit spezifischen Notfällen. Beide bringen ihre Unterstützung für die ersten beiden Säulen der R2P zum Ausdruck, wehren sich jedoch gegen Zwangsinterventionen unter ihrer Ägide, da sie die Sorge um die innere politische Sicherheit und die Sorge um ihr internationales Image teilen. Nichtsdestotrotz sind russische Erklärungen in Fällen wie der syrischen Krise durchsetzungsfähiger und sogar aggressiver, während chinesische Erklärungen in der Regel vage und reaktiv sind. Es zeigt sich in diversen Studien zum Thema, dass der diplomatische Stil die russische und chinesische Wahrnehmung ihres eigenen Platzes in der sich entwickelnden internationalen Ordnung widerspiegelt. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte schaffen für sie unterschiedliche Bezugspunkte und Statusperspektiven, was zu ihren unterschiedlichen Strategien bei der Signalisierung des Großmachtstatus führt. Da Peking hinsichtlich seiner Aussichten auf einen Statusanstieg optimistisch ist, übt es mehr Selbstbeherrschung aus, um externe Eindämmungen zu vermeiden und zögert, als unabhängiger „Spoiler“ aufzutreten. Unterdessen interpretiert Moskau seinen Großmachtstatus eher im Rahmen eines „Verlustes“ und ist daher geneigt, einen strengeren Ansatz zu wählen, um seinen Status zu signalisieren. Obwohl sich ihre politischen Ausrichtungen bei vielen Gelegenheiten ergänzen, gibt es nichts, was mit einem chinesisch-russischen „Block“ vergleichbar wäre.
Russland reagiert sehr sensibel auf Ereignisse, die seinen Status in Frage stellen, und ist sehr risikobereit, wenn es darum geht, wahrgenommenen Bedrohungen zu begegnen. Inmitten seiner anhaltenden Besorgnis darüber, in seiner traditionellen Einflusssphäre gegenüber dem Westen „an Boden zu verlieren“, veranlasst Moskaus Risikoeinstellung es dazu, auf der internationalen Bühne die Rolle eines lauten und sichtbaren Dissidenten zu spielen. R2P wurde ein Opfer dieses Ansatzes. Die R2P-Debatten bieten somit ein aufschlussreiches Prisma, durch das die Außenstrategien der beiden Länder analysiert werden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, obwohl die beiden Regime instinktiv um gegenseitige Unterstützung bitten, um eine Isolierung im UNO-Sicherheitsrat zu vermeiden, Peking und Moskau in Fragen wie der Anwendung von R2P nicht die gleiche Perspektive haben.
Auf absehbare Zeit werden Moskau und Peking Washington als ihren gemeinsamen Hauptgegner betrachten und jeder wird den anderen als Hauptpartner behandeln. [6] Beide kennen jedoch auch sehr gut die Grenzen dessen, was der andere anbieten kann, da sie unterschiedliche Ziele und Agenden haben. [7] Während Russland sich vor einer zu großen Abhängigkeit von China abzugrenzen versucht, befürchtet Peking, in unnötige Konflikte hineingezogen zu werden, die den friedlichen Aufstieg Chinas gefährden könnten.
Der weitere Erfolg dieser Partnerschaft hängt von der Fähigkeit beider Seiten ab, mit den zugrunde liegenden Differenzen umzugehen. Da sie unterschiedliche Auffassungen von ihren eigenen Statusaussichten haben, stellt die vorübergehende Synergie zwischen den beiden Staaten in den R2P-Debatten nicht unbedingt eine Norm für die Zukunft dar. [8]
Der neue US-Präsident Joe Biden dürfte die außen- und sicherheitspolitischen Grundkonstanten der Strategie seines Vorgängers [9] wahrscheinlich beibehalten und Russland [10] wie China [11] als Hauptbedrohungen und Konkurrenten wahrnehmen. [12]
Abgeschlossen: Anfang März 2021
Anmerkungen:
[1] Emilie Circé, „SHOOTING CYBER BULLETS - Framing cyberspace warfare into operations“. In: Marine Corps Gazette 11/2020, S. 82-86.
[2] Vgl. Joris Verbeurgt, „CYBERWARFARE IN EASTERN EUROPE“. In: European Security & Defence 10/2020, S. 82-87.
[3] Siehe etwa: Michael D. Schoenfeldt / Matthew L. Tyre / William Malcolm, „FIRE AND MANEUVER IN THE CYBERSPACE DOMAIN“.
In: Cavalry & Armor Journal 3/2020, S. 14-21.
[4] Vgl. Toshi Yoshihara, „EVALUATING THE LOGIC AND METHODS OF CHINA’S UNITED FRONT WORK“. In: Orbis 2/2020, S. 230-248.
[5] Avery Goldstein, „CHINA’S GRAND STRATEGY UNDER XI JINPING - Reassurance, Reform, and Resistance“. In: International Security 1/2020, S. 164-201.
[6] Joel R. Powers, „21ST CENTURY LEARNING“. In: Marine Corps Gazette 6/2020, S. 35-38.
[7] Siehe dazu etwa: Zheng Chen / Hang Yin, „CHINA AND RUSSIA IN R2P DEBATES AT THE UN SECURITY COUNCIL”. In: International Affairs 3/2020, S. 787-805.
[8] Stephen W. Miller, „DIRECT ASSAULT SUPPORT OF EXPEDITIONARY INTERVENTIONS - China and Russia Extend Their Reach“.
In: Military Technology – MT 6/2020, S. 19-22.
[9] Siehe etwa: Bruno Tertrais, „ENCORE UN SIÈCLE AMÉRICAIN? LES ATOUTS STRATÉGIQUES DES ÉTATS-UNIS FACE À LEURS CONCURRENTS“.
In: Revue Défense Nationale 6/2020, S. 90-96.
[10] Céline Marangé, „LES DÉSACCORDS RUSSO-AMÉRICAINS SUR LA STABILITÉ STRATÉGIQUE ET LE CONTRÔLE DES ARMEMENTS“.
In: Revue Défense Nationale 6/2020, S. 66-74.
[11] Michael Clarke / Jennifer S. Hunt / Matthew Sussex, „SHAPING THE POST-LIBERAL ORDER FROM WITHIN: CHINA’S INFLUENCE AND INTERFERENCE OPERATIONS IN AUSTRALIA AND THE UNITED STATES“. In: Orbis 2/2020, S. 207-229.
[12] Vgl. Ryan D. Martinson, „DECIPHERING CHINA’S „WORLD-CLASS“ NAVAL AMBITIONS“. In: Naval Institute Proceedings 8/2020, S. 50-54.
Weiterführende LINKS:
Secrets and Lies: Information Warfare During The Cold War and Today
THE CHINESE PEOPLE’S LIBERATION ARMY AND INFORMATION WARFARE
Russia's Information Warfare - Marine Corps University
THE NEXT PHASE OF RUSSIAN INFORMATION WARFARE
Russian Information Warfare: Lessons from Ukraine
Russian Information Warfare: Implications for Deterrence Theory
Strategic Information Warfare: A New Face of War | RAND
Information Warfare - Federation of American Scientists
THE UNITED STATES NEEDS AN INFORMATION WARFARE COMMAND: A HISTORICAL EXAMINATION
US Navy increases ceiling for Information Warfare Research Project
After ignoring warnings, the US struggles with China’s aggression
Growing concern over information warfare continues to shape military
America is losing the information war
Information Warfare in an Information Age
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U.S. MILITARY OPPORTUNITIES: INFORMATIONWARFARE CONCEPTS OF OPERATION
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