CHINA - TAIWAN - USA

Update Mitte September 2022


Vor dem Hintergrund zunehmendem Drucks durch Peking auf Taiwan sah sich die US-Administration von Präsident Joe Biden genötigt, selbst deutliche Worte bezüglich der politisch-diplomatisch-militärischen Unterstützung der Insel-Republik gegenüber Chinas Machtansprüchen und Drohgebärden auszusprechen. Zuvor hatte Chinas Militär mehrmals mit bewussten illegalem Eindringen von Kampfflugzeug-Staffeln in den taiwanesischen Luftraum provoziert und die Reaktionen des Westens getestet.

Zahlreiche EU-Parlamentarier und einzelne EU-Mitgliedstaaten streben intensivere Beziehungen zu Taiwan an. US-Außenminister Anthony Blinken rief Ende Oktober 2021 die UNO-Mitgliedsländer dazu auf, eine „bedeutende und robuste Teilnahme Taiwans am System der Vereinten Nationen zu unterstützen“. US-Präsident Biden sicherte Taiwan bereits zwei Mal militärische Unterstützung im Falle eines bewaffneten Konflikts mit China zu. Bidens Zusatz, die USA hätten sich zu einer solchen Hilfe verpflichtet, musste sein Präsidentschaftsbüro anschließend jedoch zurücknehmen. Denn eine solche Verpflichtung gibt es nicht. Doch die Haltung des Weißen Hauses ist unmissverständlich: Taiwan gerät immer mehr in den Fokus Washingtons.

Die USA sowie die Europäer haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Ein-China-Politik bekannt, die eine Unabhängigkeit Taiwans faktisch ausschloss. Diskussionen wie etwa jene um ein mögliches bilaterales Investitionsabkommen zwischen der EU und Taiwan beobachtet die chinesische Führung in Peking darum mit Argwohn, denn ein solcher Vertrag könnte zu Interpretationen über Taiwans Status führen. Die taiwanische Regierung lobbyiert für ein solches Abkommen, für das auch eine Reihe von EU-Parlamentariern eintreten.

Der jüngste Appell vom US-Außenminister für eine intensivere Teilnahme Taiwans in der UNO, sollte bewusst Taipeh Hoffnung geben und Peking brüskieren. Taiwan ist seit 1971, als China den Sitz übernahm, kein Mitglied der UNO mehr. Und liesse man die 193 UNO-Mitglieder über eine Mitgliedschaft abstimmen, hätte Taiwan vermutlich keine Chance. Ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington reagierte verärgert auf Blinkens Vorstoß. Er fürchtete „falsche Signale an Kräfte in Taiwan, die eine Unabhängigkeit der Inselrepublik unterstützen“.

Mit ihrer kompromisslosen Haltung hat sich die chinesische Regierung gleichzeitig in eine schwierige diplomatische Lage gebracht. So kann Taiwan durch den Druck Chinas nicht einmal an Treffen der UNO-Unterorganisation für zivile Luftfahrt teilnehmen. Auch ist der Inselstaat trotz seiner vergleichsweise erfolgreichen COVID-19-Politik von Sitzungen der Weltgesundheitsorganisation ausgeschlossen.

Zur Verhärtung der Fronten zwischen China und dem Westen in der Taiwan-Frage kommt die Tatsache, dass sich die Formel „Ein Land, zwei Systeme“, nach der eigentlich Hongkong regiert werden sollte, mit dem harschen Durchgreifen Pekings in der früheren britischen Kronkolonie als Vorbild für eine Vereinigung der Volksrepublik mit Taiwan wohl erledigt haben dürfte, betonen westliche Beobachter. Natürlich könnte Peking auch zuwarten und auf einen Sieg der Nationalpartei Kuomintang bei den Wahlen 2024 auf Taiwan hoffen. Damit wäre wohl wieder eine politische Annäherung zwischen China und Taiwan möglich. Doch scheint ein Wahlsieg der taiwanischen Oppositionspartei eher unwahrscheinlich zu sein.


Peking spielt mit dem Feuer 

Der Spielraum für die Herrscher in Peking im Umgang mit Taiwan wird somit immer kleiner - die Gefahr eines militärischen Schlagabtausches dagegen größer. Chinas Präsident Xi Jinping hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er eine Vereinigung, sollte es nicht anders gehen, auch mit militärischer Gewalt herbeiführen würde.

Xi hat in der eigenen Bevölkerung Unterstützung für eine solche Militäroperation gegen Taiwan. Vor allem viele junge Leute, getrieben auch von einem durch die Regierung angeheizten Nationalismus, sehen in ihm den einzigen chinesischen Politiker, der die nötige Härte besitzt, um eine Vereinigung notfalls mit Waffengewalt herbeiführen zu können.

Außerdem dürfte Peking in seiner Haltung gegenüber Taiwan die Unterstützung von Russland als Teil ihrer „strategischen Partnerschaft“ erhoffen.

Auch wenn Parteimedien in der Volksrepublik bereits vor Gegenschlägen als Reaktion auf die amerikanische Militärpräsenz auf Taiwan warnen und mit neuen Manövern drohen, so scheint dennoch eine reale Eskalation in Richtung Krieg nicht wirklich gewollt. Peking geht es vielmehr darum, globale Allianzen, vor allem mit anderen Schwellenländern, zu schmieden. Zudem soll China in den kommenden Jahren wirtschaftlich und technologisch unabhängiger werden. Allfällige Sanktionen des Westens im Falle eines Angriffs auf Taiwan, so das Kalkül, dämpfen diese Bestrebungen Pekings.


Ukraine Strategie Moskaus als Vorbild für Taiwan-Politik Chinas?

China beobachtet derzeit äußerst genau die Ukraine-Strategie des Kreml, so das US-Politikmagazin „The Atlantic“ Mitte Jänner 2022. Vor allem die Reaktionen und die langfristige Ukraine-Politik der USA unter Präsident Joe Biden standen und stehen für Peking auf dem Prüfstand. Die Ähnlichkeit der auch symbolischen Wichtigkeit der Ukraine für Russland und der aus Chinas Sicht abtrünnigen Provinz Taiwan für China lägen für Präsident Xi Jingping nahe. Peking strebt danach, am Beispiel Ukraine festzustellen, welcher Widerstand bzw. welche Gegenmaßnahmen und Repressionen von der US-Administration unter Präsident Joe Biden bei einer aggressiveren chinesischen Taiwan-Politik zu erwarten sein würden. Wie der russische Präsident Wladimir Putin, der erpicht darauf sei, die Ukraine wieder unter Moskaus Kontrolle zu bringen, löse auch der Gedanke, dass Taiwan näher an die USA und ihre in diesem Fall asiatischen Verbündeten rücken könne, bei Xi Besorgnis aus, so westliche Experten.

Die Ukraine-Krise scheint ein entscheidender Test für die Stärke der globalen Macht der USA zu sein. Denn über Biden hängt weiterhin auch noch das Fiasko des chaotischen Abzugs aus Afghanistan. Nicht nur in den Augen Moskaus und Pekings steht Biden dadurch in seiner Außenpolitik geschwächt da.

Taiwan dürfte aber für die Vereinigten Staaten strategisch weitaus wichtiger sein als die Ukraine: als Glied im Bündnissystem, das das Rückgrat der US-Macht im Pazifik bildet. Außerdem liefert Taiwan Halbleiter und andere Hightech-Komponenten in die USA und nach Europa. Taiwan ist ein wichtiger Computerchip-Hersteller, insbesondere für den Westen.[1]

Der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine seit Ende Februar 2022 warf auch ein Schlaglicht auf die Spannungen mit China im Hinblick auf Taiwan. Für die kommunistische Führung in Peking könnte der russische Einfall in der Ukraine als „Schablone“ eines möglichen militärischen Vorgehens gegen die als „abtrünnig“ angesehene Insel herhalten.

Das erkannten die USA nur zu gut. Deshalb setzte US-Präsident Joe Biden inmitten der russischen Aggression in der Ukraine ein diplomatisches Zeichen gegenüber China: So traf eine Delegation von amerikanischen Sicherheitsexperten in Taiwan ein. Der frühere US-Außenminister Mike Pompeo machte sich speziell für eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen der USA mit der demokratischen Inselrepublik stark. In einer Rede in Taipeh sagte Pompeo am 4. März 2022, die US-Administration solle den „notwendigen und längst überfälligen“ Schritt machen und Taiwan die Anerkennung als „freies und souveränes Land“ anbieten.

Zuvor hatte bereits der frühere US-Generalstabschef Mike Mullen die Verpflichtungen der USA gegenüber Taiwan bekräftigt. Frieden und Sicherheit in der Seestraße von Taiwan zu sichern, sei nicht nur im Interesse der USA, sondern auch der Welt, betonte er.

Die Vereinigten Staaten haben zwar die Volksrepublik als alleinige Vertretung Chinas diplomatisch anerkannt und folgen offiziell der Ein-China-Politik. Trotzdem liefern die USA unter der „Taiwan Relations Act“ Waffen an Taiwan. Allerdings gibt es keinen offiziellen Beistandspakt - dieser wird nur angedeutet. Ob die USA Taiwan bei einem Angriff Chinas unterstützen werden, lässt man in Washington bewusst offen. Diese Zweideutigkeit ging als „strategische Ambiguität“ in den Wortschatz der Diplomatie ein. Aber seit der Ära von US-Präsident Donald Trump verschiebt Amerika offensichtlich die Grenzen und erlaubt sogar offizielle Kontakte, die lange als tabu gegolten haben. Mit dem Ukraine-Konflikt deutet die Biden-Administration nun immer klarer an, dass die USA Taiwan im Kriegsfalle beistehen würden. So schickte Biden im Jänner 2022 als nonverbale Botschaft an China, dass er sich durchaus „auf zwei Fronten“ fokussieren könnte, zwei Flugzeugträgerverbände ins Südchinesische Meer. Weiters durchquerte der amerikanische Zerstörer USS „Ralph Johnson“ Ende Februar 2022 die Straße von Taiwan, die die Insel vom Festland trennt.

Auch die pro-westlichen Anrainerländer im asiatisch-pazifischen Großraum deuteten an, dass sie einen möglichen Einfall Pekings nach Taiwan nicht tatenlos hinnehmen würden. Sie wollen verhindern, dass China die erste Inselkette durchbricht, die über Japan, Taiwan und die Philippinen Chinas Zugang zum Pazifik eingrenzt. In dem Fall sieht etwa Japan seine Schifffahrtsrouten gefährdet, über die das Land sich mit Rohstoffen versorgt. Für die USA könnte eine chinesische Aggression gegen Taiwan bedeuten, dass chinesische Streitkräfte in der Folge direkt Basen auf den Pazifikinseln Guam und Hawaii angreifen könnten.


US-Außenministerium gibt grünes Licht für Verkauf von Raketenabwehrsystem an Taiwan

Das amerikanische Außenministerium genehmigte am 5. April 2022 den geplanten Verkauf des Raketenabwehrsystems vom Typ Patriot im Wert von 95 Millionen Dollar für Taiwan. Dies werde Taiwan helfen, seine Streitkräfte zu modernisieren und seine Verteidigung zu stärken, um damit zur politischen und militärischen Stabilität der Region beizutragen, hieß es aus Washington. Der Auftrag umfasste unter anderem Planung, Lieferung und Betrieb der Raketenabwehr. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit des demokratischen Inselstaats Taiwan verpflichtet - was bisher vor allem Waffenlieferungen vorsah.

Parallel zum Besuch einer hochrangigen US-Delegation in Taiwan hatte China am 15. April 2022 ein Militärmanöver in der Region gestartet. Die Pekinger Führung betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz - amerikanische Unterstützung für die demokratisch regierte Insel ist immer wieder Auslöser für Spannungen zwischen China und den USA.

Das chinesische Militär erklärte, Fregatten und Kampfjets seien in das Ostchinesische Meer und das Gebiet rund um Taiwan geschickt worden. „Diese Operation ist eine Antwort darauf, dass die USA zuletzt in der Taiwan-Frage häufig falsche Signale gesendet haben“, teilte die zuständige Kommandantur der Volksarmee mit. „Die Tricks der USA sind völlig sinnlos und gefährlich. Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich selbst.“


US-Präsident Biden will Taiwan im Kriegsfall gegen China militärisch beistehen

US-Präsident Joe Biden warnte am 23. Mai 2022 China mit ungewohnt klaren Worten vor einem Angriff auf Taiwan. Die USA würden in diesem Fall Taiwan auch militärisch verteidigen, sagte Biden. „Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind.“ China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben, so Biden. Eine solche Beistandszusage bedeutete eine Abkehr der bisherigen US-Strategie, in der sich die USA aus strategischen Gründen nicht eindeutig festlegten.

Eine eventuelle gewaltsame Einnahme Taiwans durch China würde die ganze Region destabilisieren und dem ähneln, was in der Ukraine passiert sei. Auch als Signal an China sei es „wichtig, dass der russische Präsident Putin einen Preis für seine Barbarei in der Ukraine zahlt“, hielt Biden fest. Es gehe „nicht nur um die Ukraine“, denn China beobachte, ob der westliche Druck auf Russland nachlasse.

„Wir halten daran fest, den Frieden und die Stabilität um die Taiwanstraße zu unterstützen und sicherzustellen, dass es keine einseitige Veränderung des Status quo gibt“, betonte der US-Präsident in Bezug auf die Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan. Chinas Verhalten, darunter Militärmanöver und Flüge nahe der Insel, „flirtet mit der Gefahr“, sagte er. Er gehe aber nicht davon aus, dass China tatsächlich versuchen werde, Taiwan anzugreifen.

Peking wies die Äußerungen Bidens bezüglich Taiwan scharf zurück.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kritisierte am 11. Juni 2022 beim Shangri-La-Dialogforum in Singapur die „ständige Zunahme provokanter und destabilisierender militärischer Aktivitäten in der Nähe von Taiwan“[2], einschließlich fast täglicher chinesischer Militärflüge in der Nähe der Insel. „Unsere Politik hat sich nicht geändert, aber das scheint leider nicht für die Volksrepublik China zu gelten“, sagte er.[3] Das jährliche Forum ist die wichtigste Sicherheitskonferenz in der Asien-Pazifik-Region.

Der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe warnte daraufhin anlässlich der Sicherheitskonferenz Shangri-La-Dialog in Singapur vor der Parteinahme für eine Unabhängigkeit Taiwans. „China wird die Wiedervereinigung (mit Taiwan) definitiv verwirklichen“, sagte Wei. „Diejenigen, die die Unabhängigkeit Taiwans anstreben, um China zu spalten, werden definitiv zu keinem guten Ende kommen.“[4] China wird nach den Worten des chinesischen Verteidigungsministers „bis zum Ende“ gegen eine Unabhängigkeit Taiwans kämpfen. „Wir werden um jeden Preis kämpfen, und wir werden bis zum Ende kämpfen“, sagte er.

Chinas Position zu der Insel, die Peking als Provinz betrachtet, sei unverändert, so Wei. Die chinesische Regierung strebe eine „friedliche Wiedervereinigung“ mit Taiwan an, behalte sich aber „andere Optionen“ vor,  hieß es.

Der chinesische Verteidigungsminister sprach in Singapur zudem über das atomare Arsenal seines Landes. China habe „beeindruckende Fortschritte“ bei der Entwicklung neuer Atomwaffen gemacht, sagte er. Es werde diese aber nur zur Selbstverteidigung und niemals als Erstes einsetzen. Auf eine Frage zu Berichten über den Bau von mehr als 100 neuen Atomwaffensilos im Osten Chinas im vergangenen Jahr antwortete er, China habe „immer einen angemessenen Weg zur Entwicklung nuklearer Fähigkeiten zum Schutz unseres Landes verfolgt“. Er fügte hinzu, dass die bei einer Militärparade 2019 in Peking gezeigten Atomwaffen - zu denen auch modernisierte Abschussvorrichtungen für Chinas DF-41-Interkontinentalraketen gehörten - einsatzbereit seien. Das ultimative Ziel des chinesischen Atomwaffenarsenals sei die Verhinderung eines Atomkrieges.[5]

Wei hielt fest, es liege an den USA, die bilateralen Beziehungen zu verbessern, da sie sich in einer kritischen Phase befänden. China strebe nur Frieden und Stabilität an und sein kein Aggressor. Er forderte die Vereinigten Staaten auf, „die Solidarität zu stärken und sich Konfrontation und Spaltung entgegenzustellen“.

Der taiwanische Premierminister Su Tseng-chang betonte am 12. Juni 2022, kurz nach der Rede Weis, man wolle die Tür zu China nicht schließen. Man sei bereit, sich im Geiste des guten Willens zu engagieren, jedoch auf gleichberechtigter Basis und ohne politische Vorbedingungen.

„Solange Gleichheit und Gegenseitigkeit herrschen und keine politischen Vorbedingungen gestellt werden, sind wir bereit, mit China gute Beziehungen zu unterhalten“, sagte der taiwanische Premierminister. Er wiederholte damit eine Position, die die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen immer wieder öffentlich hervorhob. „Was Chinas Belästigung Taiwans mit Militärflugzeugen, Kriegsschiffen, unangemessener Unterdrückung und politischen Aktionen angeht - so ist es China, das sich am unvernünftigsten verhält“, ließ der taiwanesische Premierminister wissen.


Russland unterstützt die Ein-China-Strategie Pekings

Im Konflikt zwischen den USA und China in der Taiwan-Frage zeigte Moskau klar Flagge zugunsten Pekings. „Natürlich sind wir solidarisch“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am 29. Juli 2022 in diesem Zusammenhang. Chinas Präsident Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden laut chinesischen Staatsmedien zuvor bei einem längeren Videotelefonat gewarnt, bei Taiwan nicht „mit dem Feuer“ zu spielen.[6]

„Wir respektieren Chinas Souveränität und territoriale Integrität und glauben, dass kein Land der Welt das Recht haben sollte, das in Frage zu stellen“, erklärte Peskow und warnte vor Schritten, die die Situation anheizen könnten. Das könne nur zu zusätzlichen Spannungen auf der internationalen Ebene führen.

Grund für die jüngsten Spannungen mit den USA war ein möglicher Taiwan-Besuch der Demokratin Nancy Pelosi: Als Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses hat Pelosi eines der höchsten Ämter der USA inne. Peking betrachtete einen solchen Besuch als Provokation.


Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi wirbelt Staub auf

Trotz deutlicher Drohgebärden Pekings gegen den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan setzte diese ihre Reise fort und landete am 2. August 2022 in Taipeh. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses war die ranghöchste US-Vertreterin seit 25 Jahren, die Taiwan einen Besuch abstattete. Kurz danach reiste eine weitere Delegation mit US-Politikern nach Taiwan. Auch die Drohnenüberflüge hatten sich laut Taipeh nach dem Pelosi-Besuch gehäuft. Taiwan verurteilte die Manöver und Raketentests als Vorbereitung auf eine chinesische Invasion.

Die Regierung in Peking, die Taiwan als Teil des chinesischen Territoriums ansieht, reagierte erbost auf den Besuch und startete umfangreiche Manöver rund um Taiwan.[7]

Während die US-Administration von Präsident Biden die Visite Pelosis in Taiwan diplomatisch „herunter zu spielen“ versuchte, stellte sich Moskau klar hinter Pekings Position. China und Russland sprachen beide von einer „klaren Provokation“ von Seiten Amerikas.

Chinesische Kriegsschiffe und Kampfjets überquerten nach der Pelosi-Visite die sogenannte Mittellinie in der Straße von Taiwan, die beide Länder im Normalfall als inoffizielle Grenze ihrer Einflusssphären akzeptieren.


Die USA erkennen Taiwan zwar nicht offiziell an, haben der Republik aber 1979 im „Taiwan Relations Act“ zugesichert, deren Verteidigungsfähigkeit zu unterstützen. Dies wurde bisher mit US-Waffenlieferungen unter Beweis gestellt. Allerdings hat US-Präsident Joe Biden in den vergangenen Monaten drei Mal betont, dass die USA die Verpflichtung hätten, Taiwan bei einem Angriff durch China militärisch beizustehen. Bisher haben es die USA offengelassen, wie weit sie bei der Verteidigung Taiwans gehen wollen.

Während der Taiwan-Krise der 1990er Jahre fanden die chinesischen Manöver hauptsächlich in den Gewässern westlich von Taiwan statt. Diesmal wird offenkundig eine Einkesselung der Insel geübt und somit eine Blockade wichtiger Häfen Taiwans und eine Unterbrechung der Nachschubwege aus dem Pazifik. Die Lage bleibt brisant, denn Taiwan ist einer der wichtigsten Chiplieferanten der Welt.


Die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen bezeichnete die chinesischen Manöver um die Inselrepublik als „unverantwortlich“. In einer Videoansprache forderte sie die chinesische Führung nachdrücklich zu Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Japan und die USA betonten ihrerseits ihren Willen zur engen Zusammenarbeit und die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße. Die USA verschoben einen Raketentest - was nahelegte, dass Washington Chinas Drohgebärden für mehr als „Theaterdonner“ hielten.

Folgen hatte der Taiwan-Besuch mit von China verhängten Sanktionen indes auch für Pelosi selbst. Wie die Sprecherin von Chinas Außenministerium, Hua Chunying, am 5. August 2022 in Peking bekanntgab, richteten sich die nicht näher beschriebenen Strafmaßnahmen auch gegen direkte Familienmitglieder Pelosis.[8]


China unterbricht die Kooperation mit den USA im Rahmen der Verteidigung und beim Klimaschutz

Als Reaktion auf den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan stoppte Peking die Zusammenarbeit mit Washington bei mehreren Themen. China werde den Austausch mit den USA über den Klimawandel „aussetzen“ und ein Gespräch zwischen Militärführern sowie zwei Sicherheitstreffen absagen, erklärte Chinas Außenministerium. Die USA betrachteten Chinas Vorgangsweise im Taiwan-Konflikt indes als unnötige Eskalation - und zitierten Chinas Botschafter ins Weiße Haus.


US-Navy zeigt dennoch Flagge - Taiwan droht China

Inmitten der anhaltenden Spannungen um Taiwan durchkreuzten zwei US-Kriegsschiffe die Taiwanstraße. Damit sei „das Engagement der Vereinigten Staaten für einen freien und offenen Indopazifik unterstrichen“ worden, erklärt die US-Navy.

Es war das erste Mal seit den tagelangen chinesischen Militärmanövern von historisch beispiellosem Ausmaß in den Gewässern rings um Taiwan, dass US-Kriegsschiffe durch die Meerenge zwischen Festlandchina und der Insel fuhren. China sah darin eine „Provokation“.

Taiwans Streitkräfte drohten parallel dazu inmitten der großen Spannungen mit China mit einem „Gegenangriff“, sollten chinesische Kampfjets und Kriegsschiffe in sein Hoheitsgebiet eindringen. Mit Hilfe der USA ließ Taiwan nun als Signal an Peking die Muskeln spielen. Erstmals wurden Warnschüsse auf chinesische Drohnen abgegeben. Zuvor hatten die USA neue Waffenlieferungen für Taipeh ins Spiel gebracht. Zudem stellte Taiwan neue Kampfjets zur Schau.


                                                                                                                                            Abgeschlossen: Mitte September 2022


Anmerkungen:

[1] Taiwans Chip-Produzent TSMC - Systemrelevant für die Welt. In: DEUTSCHLANDFUNK-Online v. 18.10.2021: https://www.deutschlandfunkkultur.de/taiwans-chip-produzent-tsmc-systemrelevant-fuer-die-welt-100.html

[2] US, China defence chiefs clash over Taiwan at Shangri-La Dialogue. In: TRTWORLD Now v. 11.6.2022: https://www.youtube.com/watch?v=aiFo1dzvgv0

[3] Remarks at the Shangri-La Dialogue by Secretary of Defense Lloyd J. Austin III (As Delivered). In: U. S. Departement of Defense-Online v. 11.6.2022: https://www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3059870/readout-of-secretary-lloyd-austins-meeting-with-republic-of-korea-minister-of-n/ 

[4] China warns Taiwan independence would trigger war. In: BBC-NEWS-Online v. 11.6.2022: https://www.bbc.com/news/world-asia-61768875

[5] China will fight to the very end to stop Taiwan independence. Rede des chinesischen Verteidigungsministers Wei Fenghe an der Sicherheitskonferenz (Shangri-La-Dialogforum) in Singapur am 12.6.2022 auf YouTube

[6] Kremlin Expresses Solidarity With China Over Taiwan. In: THE MOSCOW TIMES-Online v. 29.7.2022: https://www.themoscowtimes.com/2022/07/29/kremlin-expresses-solidarity-with-china-over-taiwan-a78445

[7] China beginnt Militärmanöver vor Taiwan. In: DER SPIEGEL-ONLINE v. 4.8.2022: https://www.spiegel.de/ausland/nach-besuch-von-nancy-pelosi-china-beginnt-militaermanoever-vor-taiwan-a-2e47edbd-9fb8-4b1c-8bb7-47eb5b1286a8

[8] U.S. calls China's military action over Taiwan unjustified, Beijing sanctioning Pelosi. In: REUTERS.com v. 5.8.2022: https://www.reuters.com/world/china/

CHINA - TAIWAN - USA


Die USA sind bislang nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im asiatisch-pazifischen Raum noch immer die dominierende Weltmacht. Durch die Wahrung der freien Seewege in der Großregion beziehen auch die Europäer fernab ihren Nutzen davon. Anfang der 1970er-Jahre leitete der damalige US-Sicherheitsberater und spätere US-Außenminister Henry Kissinger den politischen Ausgleich mit der Volksrepublik China ein, den Amerika trotz aller Gegensätze und Widersprüche (Massaker am Tiananmen-Platz 1989) unterstützte. Die politisch-ökonomische Öffnung Chinas seit Deng Xiaoping wurde positiv von Washington begleitet, wobei in den darauffolgenden Jahrzehnten Washington versuchte, das aufstrebende „Reich der Mitte“ in die westlich geprägte Weltordnung (einschließlich der UNO-Institutionen) schrittweise zu integrieren.

Spätestens seit der Ära des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der immer mehr Kompetenzen an seine Person zu binden vermocht hat, hat sich die US-Strategie als „Illusion“ herausgestellt. Im Rahmen der global angelegten „Neuen Seidenstraßen“-Strategie versucht seither Peking seine ökonomische, politische und letztlich auch militärische Macht immer weiter auszuweiten. Zur Machtdurchsetzung zieht das technologisch rasch aufholende China umfangreiche digitale Überwachungstechnologie ins Treffen. Zensur und Repression gegen die eigene Opposition im Lande, aber auch gegen die muslimisch geprägte Bevölkerung der Uiguren in der westlichen chinesischen Unruheprovinz Xinjiang, zuletzt auch gegen die unbeugsame Demokratiebewegung in Hongkong, beweisen einmal mehr, wie entschlossen die kommunistische Führung in Peking vorgeht.

Ein besonderer Zankapfel mit den USA ist seit Jahrzehnten die aus Pekinger Sicht „abtrünnige Insel“ Taiwan. China verstärkt mit zunehmender Macht im Rahmen der ausgerufenen „Ein-China-Politik“ den Druck auf Taiwan. Militärisches Säbelrasseln und Muskelspiele gehören in der Straße von Taiwan zur Tagesordnung. Amerika gilt als Schutzmacht Taiwans. Wichtige Eckpunkte in den beiderseitigen Beziehungen sind der Taiwan Relations Act von 1979 und der 2018 vom US-Kongress beschlossene Taiwan Travel Act, die – wenn auch inoffiziell – tiefgreifende ökonomisch-politisch-militärische Kooperation beinhalten.

Die USA wollen zwar eine militärische Auseinandersetzung mit China vermeiden, doch braucht es aus westlicher Sicht ein umfassendes und vielschichtiges geostrategisches „Gegengewicht der Eindämmung“ in Zusammenarbeit mit den pro-westlichen Anrainerländern im asiatisch-pazifischen Raum, um weitere chinesische Machtprojektionen zu verhindern.

Strategische Ambiguität

Der Begriff der strategischen Ambiguität hat lange Zeit das Engagement der Vereinigten Staaten in den Beziehungen zwischen China und Taiwan geleitet. Er besagt, dass Washington absichtlich unklar bleibt, ob und wie es in einem Konflikt zwischen China und Taiwan eingreifen würde, um ein Gleichgewicht von Sicherheit und Abschreckung für beide Seiten zu wahren. Ausgehend von einer neoklassischen realistischen Perspektive argumentieren westliche Sicherheitsexperten, dass innenpolitische und individuelle Faktoren - insbesondere der amerikanische Populismus, der US-Kongress und das außenpolitische Establishment sowie die transaktionale und personalisierte Herangehensweise an die Außenpolitik durch den früheren US-Präsidenten Donald Trump - mit dem sich verschiebenden Machtgleichgewicht zwischen den USA und China interagiert haben, um einen anderen Modus amerikanischer strategischer Mehrdeutigkeit in der Straße von Taiwan zu erzeugen. Eine weit verbreitete Ansicht ist, dass sich die USA in den letzten Jahren als Folge des wachsenden Machtkampfes zwischen den USA und China weitgehend auf Taiwan zubewegt haben. So widerspiegelte sich  in der Trump-Ära eine strategische Ambiguität, die, obwohl sie das Gleichgewicht der Ambiguität zugunsten Taiwans zu stören schien - paradoxerweise und wahrscheinlich unbeabsichtigt - sowohl für China als auch für Taiwan Zusicherungen und Warnungen aufrechterhielt. Doch während Trump wohl das Gesamtgleichgewicht der strategischen Mehrdeutigkeit bewahrt hatte, hatte er eine größere Volatilität in die Beziehungen zwischen China und Taiwan gebracht.

Trumps Herangehensweise an die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Meerenge erhöhte jedoch das Gefühl der Unsicherheit in Peking, ohne notwendigerweise das Sicherheitsgefühl in Taipeh zu verbessern. Gleichzeitig erhöhte sich damit auch das Risiko einer Fehlkalkulation und Eskalation, um einen Konflikt zu entfachen, wenn der Druck über die Meerenge hinweg zunahm. Während Trumps strategische Ambiguität bisher unbeabsichtigt ein Gleichgewicht aufrechterhalten hatte, könnte es eine ebenso unbeabsichtigte destabilisierende Verschiebung - in beide Richtungen - über die Meerenge hinweg erfahren, betonten so manche politischen Beobachter.[1]

Mit Joe Biden als neuem Präsidenten im Weißen Haus sollte sein traditionelleres Engagement für Multilateralismus, Allianzen und strategisches Engagement gegenüber China etwas von der verlorenen Stabilität in die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Meerenge zurückbringen, wenn man von den Erfahrungen der Vergangenheit ausgehen kann. Allerdings steht nun Biden vor der gleichen Herausforderung, die Taiwanstraße inmitten der Spannungen zwischen Peking und Taipeh zu stabilisieren, die in absehbarer Zeit aufgrund der anhaltenden Spannungen wohl kaum abnehmen werden.  Außerdem sind destabilisierende Tendenzen in Form der sich verschärfenden Rivalität zwischen den USA und China, des zunehmenden Nationalismus in beiden Ländern und des immer stärker und aggressiver werdenden Chinas nicht leicht umkehrbar und würden jede amerikanische Regierung vor Probleme stellen, die versucht, die Beziehungen zu Taiwan auf gleichem Kurs zu halten. Es gibt daher keine Garantien, dass Biden mehr Stabilität in die Taiwanstraße bringen kann. Die einzige Gewissheit ist, dass Amerika weiterhin eine zentrale Rolle in den komplexen und volatilen Beziehungen zwischen Taiwan und China spielen wird.


Die Wahl von Tsai Ing-wen zur Präsidentin der Republik China (Taiwan) im Jahr 2016 hat Pekings Bestreben, bisherige taiwanesische diplomatische Verbündete auf internationaler Bühne abzuwerben, neu belebt. Zwischen ihrer Wahl im Januar 2016 und der Wiederwahl im Januar 2020 hat Taiwan sieben Länder an China verloren. Nach acht Jahren eines „diplomatischen Waffenstillstands“ unter Präsident Ma Ying-jeou (2008-2016) hat China seine mehrgleisige Strategie wieder aufgenommen, um Taiwan zu einer möglichen Vereinigung zu drängen. Eine der Schlüsseltaktiken besteht darin, alle jetzt 15 verbliebenen diplomatischen Verbündeten Taiwans abzuwerben, um Taiwans internationale Legitimität zu beseitigen.[2]

Am 2. Januar 2019 hielt der chinesische Staatschef Xi Jinping eine Rede an die Landsleute in Taiwan und enthüllte die wichtigsten Strategien der Volksrepublik China gegenüber Taiwan. In der Rede erklärte Xi, dass die Wiedervereinigung Taiwans der „Traum Chinas“ sei. Um den Ehrgeiz Chinas zu erfüllen, betonte Xi, werde China nicht auf die Anwendung von Gewalt verzichten und sich die Möglichkeit vorbehalten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Noch wichtiger ist, dass China bestrebt sein wird, die Wiedervereinigung durch eine Vielzahl von Mitteln zu fördern - einschließlich der Institutionalisierung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit über die Meerenge hinweg, der Schaffung eines gemeinsamen Marktes und der Gewährung einer bevorzugten Behandlung von „Landsleuten“ in Taiwan. Darüber hinaus ist China bestrebt, die öffentliche Meinung in Taiwan zu beeinflussen, indem es „engere Bande mit Herz und Verstand knüpft“, und zwar durch verschiedenen sozialen Austausch und Kommunikation. Xis Rede machte deutlich, dass in einer Welt der Interdependenz sowohl das wirtschaftliche Staatswesen als auch die soziale Durchdringung zu zwei entscheidenden Strategien für China geworden sind, um seinen Einflussbereich auf Taiwan auszuweiten.

Die wirtschaftliche Globalisierung und die technologische Revolution haben verschiedene Formen der globalen Konnektivität geschaffen - darunter Handel, Investitionen, Infrastruktur, digitale und zwischenmenschliche Verbindungen. Diese Verbindungen erleichtern nicht nur Chinas nationale Entwicklung, sondern sie ermöglichen Peking auch eine umfassende wirtschaftliche Manipulation und soziale Durchdringung in der ganzen Welt. Es liegt auf der Hand, dass Chinas wirtschaftliche Staatskunst und soziale Durchdringung sich von der Anwendung von Zwangsgewalt auf der Grundlage brutaler Gewalt unterscheiden.

In den letzten Jahren hat der chinesische Staatsapparat Taiwan verstärkt ins Visier genommen, indem Peking verschiedene Medienkanäle wie traditionelle Radiosender und neue soziale Medien nutzt. Die lokalen Radiosender im zentralen und südlichen Teil Taiwans sind traditionell die wichtigsten lokalen Quellen für alltägliche Informationen zur Unterstützung der pro-taiwanesischen Unabhängigkeitsstimmung. In Taiwan veranstaltet die KP Chinas zur Förderung der Wiedervereinigung Radioprogramme in den südlichen Städten Taiwans in Verbindung mit neuen sozialen Medien, wie etwa der Facebook-Fanseite mit Live-Streaming, um der lokalen Bevölkerung die pro-chinesische Ideologie und Desinformation zu vermitteln. Im Rahmen der „Gehirnwäsche“ werden unter anderem die politische Wirtschaftsentwicklung und die Industriepolitik Chinas unter der Führung von Xi Jinping gelobt, der Erfolg der „Neuen Seidenstraßen“-Initiative weltweit hervorgehoben und die soziale und wirtschaftliche Integration Chinas mit Taiwan befürwortet. Einige Propagandabotschaften Pekings beinhalteten sogar, dass die chinesische Volksbefreiungsarmee Taiwan am besten selbst gegen den Terrorismus oder andere Länder (darunter die Vereinigten Staaten und Japan) verteidigen sollte. Diese Propagandastrategien Pekings sollen einen neuen „pro-chinesischen gesellschaftlichen Echoraum“ auf der Insel entstehen lassen.[3]


Die USA könnten als Schutzmacht Taiwans etwa Gegenmaßnahmen erwägen, die Taipei Economic and Cultural Representative Office (VECRO) in Washington und die Taipei Economic and Cultural Offices (TECO) im ganzen Land umzubenennen, um „Taiwan“ anstelle von Taipeh in den Namen aufzunehmen.

Zudem könnte Washington durchsetzungsfähigere Maßnahmen ergreifen, um Taiwans Vollmitgliedschaft in geeigneten internationalen Organisationen zu unterstützen, die einen ständigen Beobachterstatus in solchen Organisationen haben, in denen eine Mitgliedschaft wahrscheinlich unerreichbar ist (zum Beispiel Interpol). Die Maßnahmen der USA, die die Aufnahme Taiwans fördern, sollten erklären, dass die Welt von der Aufnahme Taiwans profitieren würde. Wenn der Beobachterstatus oder die Teilnahme an Aktivitäten und Veranstaltungen internationaler Organisationen nicht erreicht werden kann, dann könnten die Vereinigten Staaten hochrangige taiwanesische Beamte als Gäste einladen. Ein Modell dafür war die Einladung der Trump-Administration an Botschafterin Lily Hsu, Generaldirektorin des TECO in New York, zur Teilnahme an dem von den USA organisierten „Global Call to Protect Religious Freedom“ bei der UNO im September 2019. Wenn es den Vereinigten Staaten gelingt, mit anderen wichtigen Mitgliedern internationaler Organisationen eine geschlossene Front zu bilden, dann könnten sie schließlich einen größeren Zugang Taiwans zur Mitgliedschaft erlangen.

Die USA können weiters Chinas Scheckbuchdiplomatie-Bemühungen ausgleichen - und auch den breiteren Interessen der USA bei der Kontrolle des wachsenden Einflusses Chinas dienen, indem sie gegebenenfalls ähnliche Hilfe und Ressourcen anbieten. Diese Hilfe wird für Staaten attraktiv sein, die Chinas „Schuldenfalle“-Diplomatie misstrauisch gegenüberstehen. Die Vereinigten Staaten haben mit der Verabschiedung des „Better Utilization of Investments Leading to Development“ (BUILD) Act von 2018 erste Schritte in diese Richtung unternommen, „die Entwicklung des marktbasierten Privatsektors und das Wirtschaftswachstum in weniger entwickelten Ländern durch die Bereitstellung von Krediten, Kapital und anderer finanzieller Unterstützung zu erleichtern“. Als kleinere Version von Chinas „Neue Seidenstraßen“-Initiative könnte der BUILD Act den Nebeneffekt haben, dass er die Wahrscheinlichkeit verringert, einige der verbleibenden diplomatischen Verbündeten Taiwans die formellen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen, um sich Entwicklungsgelder von China zu sichern.

Die Verabschiedung und Umsetzung dieser Politik wird Pekings Bestreben, Taiwan durch Abwerbung aller seiner diplomatischen Verbündeten unter Druck zu setzen, wahrscheinlich nicht aufhalten. China hat die Fähigkeit und den Willen, Taiwan - und die Vereinigten Staaten - in einem Wettstreit darüber, ob Länder diplomatische Beziehungen mit Peking oder Taipeh unterhalten, weiter unter Druck zu setzen. Nichtsdestotrotz könnte die Arbeit zur Förderung engerer Beziehungen zwischen Taiwan und anderen Staaten zur Aufrechterhaltung der bestehenden diplomatischen Beziehungen Taiwan etwas Spielraum geben und damit auch den amerikanischen Interessen förderlich sein.  


Taiwan muss in enger Abstimmung mit den USA und den anderen pro-westlichen Anrainerländern mehr als auf der Hut vor Pekings „Einlullungstaktiken“ sein, um entschlossen die demokratischen Werte der Aufklärung und der Menschenrechte vor allen autoritären Ansätzen zu verteidigen.


Nach Einschätzung einiger hoher US-Militärs könne es durchaus sein, dass Chinas Volksbefreiungsarmee Taiwan innerhalb der nächsten sechs Jahre - also vor 2027 – überfalle, sagte der für den Asien-Pazifik-Raum zuständige US-Admiral Philip Davidson am 9. März 2021 in einem Ausschuss des US-Senats in Washington. „Die Bedrohung besteht eindeutig in diesem Jahrzehnt, um klar zu sein, in den nächsten sechs Jahren“, so Davidson.[4]

Peking verwehrte sich gegen solche Anschuldigungen und betonte, die USA wollten den Streit um die Zukunft Taiwans „aufbauschen“ und suchten nach einem Vorwand, ihre Militärausgaben zu erhöhen, ihre Truppen zu verstärken und sich in regionale Angelegenheiten „einzumischen“.


                                                                                                                                              Abgeschlossen: Anfang Juli 2021


Anmerkungen:

[1] Hoo Tiang Boon / Hannah Elyse Sworn, „STRATEGIC AMBIGUITY AND THE TRUMPIAN APPROACH TO CHINA-TAIWAN RELATIONS“. In: International Affairs 6/2020, S. 1487-1508.

[2] Thomas J. Shattuck, „THE RACE TO ZERO? CHINA’S POACHING OF TAIWAN’S DIPLOMATIC ALLIES“. In: Orbis 2/2020, S. 334-352.

[3] Chia-Chien Chang / Alan H. Yang, „WEAPONIZED INTERDEPENDENCE: CHINA’S ECONOMIC STATECRAFT AND SOCIAL PENETRATION AGAINST TAIWAN“. In: Orbis 2/2020, S. 312- 333.

[4] Davidson: China Could Try to Take Control of Taiwan In ‘Next Six Years’. In: USNI-News-Online v. 9.3.2021: https://news.usni.org/2021/03/09/davidson-china-could-try-to-take-control-of-taiwan-in-next-six-years