NORDKOREA
Untertitel
Unter der Schirmherrschaft des sowjetischen Staatschefs Josef Stalin wurde 1948 die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) unter dem „großen Führer“ Kim Il-sung (1912-1994) ausgerufen. Parallel dazu entstand im Süden der koreanischen Halbinsel die Republik Korea (Südkorea).
1950 starteten nordkoreanische Truppen eine Offensive gegen den Süden. Es war der Beginn eines Krieges, der innerhalb von drei Jahren mehrere Millionen Todesopfer forderte. Er forcierte eine zunehmende Polarisierung im Kalten Krieg und zementierte die Spaltung Koreas. (Noch 1945 war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine „gemeinsame Treuhandverwaltung“ angedacht, die schließlich Korea in die nationale Unabhängigkeit führen sollte.) Bis heute ist trotz der beiden Gipfeltreffen in den Jahren 2018 und 2019 zwischen dem damaligen US-Präsident Donald Trump und dem Enkelsohn des 1994 verstorbenen stalinistischen Diktators Nordkoreas, Kim Jong-un, kein Friedensvertrag auf der koreanischen Halbinsel zustandegekommen.
Der Korea-Krieg (1950-1953) war unter anderem eine „brutale Reflexion“ des absoluten Geltungsanspruches der Kommunistischen Partei und seines „absoluten Führers“. Schon Lenin und Mao Zedong haben gesagt: „Marxismus ist die Wahrheit. Er ist allmächtig, weil er wahr ist.“ - Mit dieser „Wahrheit“ im Rücken konnte das nordkoreanische Regime tatkräftig voranschreiten. Die „Wahrheit“ der scheinbar überlegenen kommunistischen Lehre musste ihre Bestätigung in der „Wirklichkeit“ finden. Da der kommunistische Staatsführer Kim die „Wahrheit“ (die kommunistische „Heilslehre“) verkörperte, nahm er für sich auch das „Recht und die Freiheit“ in Anspruch, das sogenannte „Marionettenregime des amerikanischen Imperialismus“ (gemeint war die südkoreanische Regierung) im Süden zu stürzen, um die dort lebenden „Brüder und Schwestern“ vom „falschen Klassenbewusstsein“ zu befreien.
Mit massiver militärischer Hilfe gelang es, eine totale Niederlage der Südkoreaner zu vermeiden. Die Entscheidung des damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman, den militärischen Schwung mitzunehmen und nunmehr selbst über den 38. Breitengrad hinaus auf nordkoreanisches Territorium vorzustoßen, um die koreanische Halbinsel unter westlichen Vorzeichen zu vereinen, traf auf den erbitterten Widerstand Pekings und Moskaus. Ein zähes Ringen begann, das schließlich in einem „Stellungskrieg“ entlang der heutigen innerkoreanischen Grenze endete. 1953 wurde ein Waffenstillstand auf diplomatischem Wege ausgehandelt, um die Kämpfe zu beenden.
Bis heute ist trotz der beiden Gipfeltreffen in den Jahren 2018 und 2019 zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Enkelsohn des 1994 verstorbenen stalinistischen Diktators Nordkoreas, Kim Jong-un, kein Friedensvertrag auf der koreanischen Halbinsel zustande gekommen.
Nordkorea ist inzwischen zu einer unberechenbaren Atommacht aufgestiegen, die in der Lage ist, mit atomar bestückten Trägerraketen auch Ziele in den USA zu treffen.[2]
Den USA ist es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, das Regime in Pjöngjang unter anderem durch harte UNO-Sanktionen zum Einlenken zu bewegen, um das nordkoreanische Atomprogramm einzustellen. Mittlerweile verfügt Nordkorea über Atomraketen, die nun auch das amerikanische Festland treffen können.
Kim Jong-un sieht in den eigenen nuklearen Arsenalen vielmehr ein „Faustpfand“ gegenüber den Amerikanern, um bei möglichen künftigen Friedensverhandlungen „nicht über den Tisch gezogen“ werden zu können. Phasen der scheinbaren Annäherung zwischen Nord- und Südkorea wechseln sich denn immer wieder mit Phasen erhöhten Säbelrasselns ab.
„Juche“ - nationale Selbstverwirklichung
Der von den Sowjets nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzte Kim Il-sung errichtete einen asiatisch geprägten kommunistischen Despotismus unter Einbeziehung konfuzianisch-buddhistischer Traditionen. Der national-kommunistische Geltungsanspruch (koreanisch „Juche“) bedeutet nicht nur Selbstverwirklichung der Herrschaft im Lande, sondern auch Selbsterhaltung des Regimes in Pjöngjang. Die politische Gesamtstrategie Nordkoreas basiert auf der unerschütterlichen, aus eigenen Kräften existenz- und verteidigungsfähigen Bastion der politischen Schöpfung Kim Il-sungs, seines Sohnes Kim Jong-il (1941-2011) und nunmehr seines Enkels Kim Jong-un. Nach nordkoreanischer Interpretation der Zeitgeschichte hatten „sozialistische Experimente“ wie Glasnost und Perestrojka unter dem ehemaligen KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow den Sozialismus-Kommunismus in den Ruin geführt. Die Lehre, die man in Pjöngjang zog, war und ist eindeutig: „Nur keine Experimente!“
„Juche“ heißt das „oberste Gebot“. An diesem Grundsatz dürfe nicht gerüttelt werden. Für die Kim-Dynastie reichte und reicht die Bandbreite nordkoreanischer Außen- und Sicherheitspolitik vom Dialog mit dem Westen bis hin zur Konfrontation und zum potenziellen Krieg. Die politische Richtlinie des „Juche“ dürfe in keinem Fall verlassen werden - so oder so. Alles andere wäre Verrat an der „gemeinsamen nationalen Sache“.
Nunmehr ist Kim Jong-un seit dem Tod seines Vaters 2011 zum neuen „großen und weisen Führer“ seines Landes aufgestiegen. Potenzielle Widersacher im Machtapparat wurden ausgeschaltet und getötet. Dazu zählt etwa auch sein älterer Halbbruder Kim Jong-nam, den er auf dem Flughafen von Kuala Lumpur durch einen Anschlag mit dem Nervengift VX ermorden ließ.
Wie schon seine Vorgänger regiert Kim Jong-un mit nahezu absoluter Macht. Unter die nationale Selbstverwirklichung („Juche“) fallen die militärische Landesverteidigung und die Streitkräfte. Kim Jong-un ist es bisher sehr gut gelungen, mit eiserner Faust die grundlegenden Determinanten des Regimes nach innen wie nach außen klar zum Ausdruck zu bringen. Es geht dabei auch um das taktische Können, einerseits Konfrontations- und andererseit Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Mit diesen beiden „Trümpfen“ im Ärmel, dem eigenen Atomprogramm und den Streitkräften, pokerte er mit den USA unter Donald Trump.
Nordkoreas ehrgeiziges und eigenständiges Raketenprogramm ist der Stolz des Regimes. Mittlerweile können nordkoreanische Atomraketen amerikanisches Festland erreichen. Kim sieht im eigenen nuklearen Arsenal die Garantie zum Erhalt der eigenen machtpolitischen Positionen, wenn es denn irgendwann zu einem politisch-diplomatischen Ausgleich mit den USA und Südkorea kommen sollte.
Die Volksrepublik Korea existiert in einer gefährlichen Eigenwelt von Mythen über die Größe des Führers, dem „Volksglück“, über die überhöht dargestellte eigene Kampfeskraft und die hasserfüllten Klischees über Südkorea, Japan und die USA. Das zwischenzeitliche „Tauwetter“ im Zuge der Gipfeltreffen Kims mit Trump dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die politisch-ideologischen Gegensätze autoritärer Planung und Gesinnung in Nordkorea niemals zugunsten westlich-liberaler Zielsetzungen aufgegeben werden würden. Die Devise des Kim-Regimes lautet: Überleben, Durchhalten, Durchkommen!
Um an der Macht zu bleiben, ist jedes Mittel recht. Die Feinde des „wahren Kommunismus ohne wenn und aber“ lauern überall, darum müsse der „große Führer“ mit seinem Spitze- und Repressionsapparat auch überall präsent sein. Als Faustregel gilt: „Vertraue niemandem! - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“
„Fehler“ wie in der ehemaligen DDR 1989 wollen die nordkoreanischen Eliten vermeiden. Die DDR wurde erheblich durch den Einfluss westlicher Medien ausgehöhlt. Das totalitäre Regime in Pjöngjang möchte hingegen durch die Macht der Unkenntnis ihrer „kollektiven Untertanen“ weitermachen. - Richtig und wahr ist, was die KP Nordkoreas vorgibt. Die Bevölkerung kann sich „glücklich“ schätzen, denn über sie wird das „Füllhorn juche-beschränkter Information“ ausgeschüttet. - Auch in Zeiten der Corona-Pandemie.
Marktwirtschaftliche Öffnung unter strikter Kontrolle der KP Nordkoreas
So wie der „große Bruder“ China zur Großmacht heute aufgestiegen ist, so dürfte nun auch Kim auf eine marktwirtschaftliche Liberalisierung seiner Gesellschaft hinarbeiten, damit der Lebensstandard der Bevölkerung im Lande steigt. Pjöngjang braucht zur Modernisierung seiner maroden, von westlichen Sanktionen gebeutelten Wirtschaft (abseits von Militärgütern) dringendst ausländisches Kapital und auch Technologie. Eine „sanfte“ Annäherung an marktwirtschaftliche Normen à la China würde zwar die Kapital- und Devisenströme nach und nach in Richtung Nordkorea lenken. Mit den anders gearteten Methoden entstünden aber auch allmählich ein forciertes geistiges Umdenken bei den „Untertanen“ - hin zu mehr Freiheit. So wie in China scheint der „Same der Freiheit“ trotz aller vielschichtigen Repressionsmaßnahmen Pekings (etwa in Hongkong) durch eine Öffnung des Landes gesetzt zu werden. Für China und Nordkorea gilt: Will man das eine, so müsse man zumindest das andere riskieren oder in Kauf nehmen.
Das weiß insbesondere auch der aktuelle nordkoreanische Machthaber. Er muss sich an den überhöhten Mythen des Sozialismus-Kommunismus nordkoreanischer Prägung seines Großvaters und an das ökonomische Erfolgsnarrativ Chinas im 21. Jahrhundert orientieren, um neben einer weiter verfolgten Strategie des militärischen Säbelrasselns und der größtmöglichen atomaren Abschreckung als glaubhafter Akteur in der internationalen Staatenwelt ernstgenommen zu werden.
Kim Jong-un wurde am Kongress der allein regierenden Arbeiterpartei Nordkoreas im Jänner 2021 einstimmig zum „Generalsekretär“ gekürt. Wie schon sein Vater sitzt Kim Jong-un seiner Partei künftig als „Generalsekretär“ vor. Bisher war er offiziell „nur“ Vorsitzender der Arbeiterpartei. Damit dürfte Kim seine Machtposition in Staat und Gesellschaft einmal mehr einzementieren.
Pjöngjang sucht nun über die ökonomische Erfolgsgeschichte Chinas im Rahmen der global ausgerichteten „Neuen Seidenstraßen“-Strategie Anschluss zu finden. Denn es scheint, als würde ein formal kommunistisches China abseits westlich-liberaler Maßstäbe imstande sein, trotz autoritärem Staats- und Gesellschaftsmodell mit marktwirtschaftlichen Strategien weltweit an Ansehen zu gewinnen.
Und dennoch: Das nordkoreanische Regime setzt erneut auf Verstärkung der atomaren Rüstung
Kurz vor der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden bezeichnete Nordkorea die Vereinigten Staaten erneut als „größten Feind“ und verkündete, sein Atomprogramm weiterzuentwickeln. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gab Anfang Jänner 2021 bekannt, dass sein Land trotz internationaler Sanktionen und erheblicher wirtschaftlicher Probleme das eigene militärische Potenzial signifikant erhöhen möchte. Dadurch solle die Sicherheit „des Landes und der Menschen sowie ein friedliches Umfeld für den sozialistischen Aufbau“ gewährleistet werden, betonte er.
Nordkoreas Machthaber forderte Washington auf dem Kongress der herrschenden Arbeiterpartei in Pjöngjang am 9. Jänner 2021 auf, die feindselige Politik gegenüber seinem Land zu beenden. Das militärische Atomprogramm werde für das eigene Überleben fortgesetzt. Das Forschungsdesign für ein neues Atom-U-Boot sei abgeschlossen, betonte er. Kim ging in seiner Einschätzung der Weltlage nicht davon aus, dass sich die amerikanische Politik gegenüber Nordkorea unter einem neuen amerikanischen Präsidenten ändern würde - und kündigte dementsprechende Schritte zur Verstärkung des eigenen nuklearen Arsenals an.[3]
Wie aus einem am 8. Februar veröffentlichten UNO-Experten-Bericht hervorging[4], trieb das nordkoreanische Regime sein Atomprogramm trotz internationaler Sanktionen weiter voran. Nordkorea habe „seine Nuklear- und ballistischen Raketenprogramme mit Verstoß gegen die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates“ weiterentwickelt, hieß es. Obwohl das Regime in Pjöngjang 2020 weder Atom- noch ballistische Raketentests durchführen ließ, produzierte Nordkorea weiter „spaltbares Material, unterhielt Kernanlagen und verbesserte seine Infrastruktur für ballistische Raketen“.
Finanziert werde das Atomprogramm offenbar unter anderem mit Hacker-Aktivitäten des nordkoreanischen Geheimdienstes. Diese hätten zuletzt „virtuelle Vermögenswege und Verwalter von Vermögenswerten“ sowie ausländische Rüstungsfirmen ausgespäht. Weiters habe Nordkorea die geltenden UNO-Sanktionen speziell auch zum begrenzten Import mit verarbeitetem Erdöl und anderen Stoffen systematisch umgangen, beispielsweise mit einem verdeckten Transport der zusätzlich benötigten Güter über das Meer.
Laut dem UNO-Bericht ließ Kim Jong-un jüngst bei Militärparaden „neue ballistische Raketensysteme mit kurzer sowie mittlerer Reichweite, U-Boot-Startsysteme und Interkontinentalraketen“ auffahren. Parallel dazu habe das Regime die Erprobung und Produktion neuer Sprengköpfe für ballistische Raketen sowie die Entwicklung taktischer Nuklearwaffen als nächste Schritte angekündigt.
Die USA bleiben nach offizieller Darstellung des Regimes weiter der „Hauptfeind“.
Neue US-Administration von Präsident Joe Biden behält harten Kurs gegen Nordkorea bei
Auch die neue US-Administration von Präsident Joe Biden räumt der Abschaffung der Atomwaffen Nordkoreas oberste Priorität ein. Dafür sei eine vollständige Überprüfung der Nordkorea-Politik notwendig, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am 12. Februar 2021. Insbesonders mit den US-Verbündeten Südkorea und Japan müsse ein koordiniertes Vorgehen erreicht werden, hieß es. Das Regime in Pjöngjang habe „spaltbares Material produziert, atomare Anlagen unterhalten und seine Infrastruktur für ballistische Raketen aufgerüstet“, sowie weiterhin Material und Technologie für diese Programme aus dem Ausland bezogen. Finanziert worden seien die Projekte mit rund 300 Millionen US-Dollar, die offenbar mit Hilfe von Cyberattacken lukriert wurden.
Das nordkoreanische Regime startete am 21. März 2021 zu Testzwecken zwei Marschflugkörper von kurzer Reichweite.[5] Kurze Zeit später feuerte das nordkoreanische Militär neuerlich zwei ballistische Kurzstreckenraketen in Richtung offenes Meer.
UNO-Resolutionen verbieten Nordkorea den Test von ballistischen Raketen, die je nach Bauart auch atomare Sprengköpfe tragen können. Tests von Marschflugkörpern unterliegen dagegen nicht den Sanktionen gegen Nordkorea. Die US-Administration von Präsident Biden zeigte sich einmal mehr besorgt, zumal diplomatische Annäherungsversuche Bidens an Pjöngjang bislang ohne Erfolg blieben.
Zuvor hatte Nordkorea gegen ein amerikanisch-südkoreanisches Militärmanöver offiziell protestiert und davor gewarnt, die „Kriegstrommeln zu rühren“.
Ende Mai 2021 wurde bekannt, dass die Biden-Administration grünes Licht für einer Aufhebung der Reichweitenbeschränkung südkoreanischer Raketen gab. Das nordkoreanische Regime warf daraufhin den Vereinigten Staaten eine feindselige Politik gegenüber Pjöngjang und „Doppelmoral“ vor. „Sie sind trotz ihres Lippenbekenntnisses zum Dialog in Konfrontation vertieft“, hieß es.
Nordkorea und China bekräftigen ihren seit 1961 geschlossenen Beistandspakt
Am 11. Juli 2021 bekräftigten die Regierungen Nordkoreas und Chinas zum Jahrestag ihres Vertrags über Freundschaft, Zusammenarbeit ihre weitere vertiefte Kooperation und versprachen sich gegenseitigen Beistand in Krisensituationen. Peking und Pjöngjang erklärten, dass es sich um eine „kämpferische Freundschaft“ handle.
Die chinesische Volksrepublik ist seit der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags 1961 der einzige große Verbündete des nordkoreanischen Regimes.
In einer Botschaft an Chinas Präsidenten Xi Jinping sagte der nordkoreanische Führer Kim Jong-un, dass ihre Beziehung „angesichts feindlicher ausländischer Kräfte lebenswichtig sei“, während Xi bekräftigte, die Kooperation „auf eine neue Stufe“ stellen zu wollen. Der Vertrag verteidige den Sozialismus und den Frieden in Asien, „jetzt, wo die feindlichen Kräfte in ihren Herausforderungen und Obstruktionsmaßnahmen verzweifelter werden“, so Kim.
Die internationalen Sanktionen, die wegen Pjöngjangs laufendem Atomwaffen- und ballistischen Raketenprogrammen verhängt wurden, führten Nordkorea (insbesondere was den Handel betrifft) noch enger an die Seite Chinas.
Laut internationalen Experten dürfte es für Peking umso schwieriger werden, im Hinblick auf eine „Denuklearisierung“ seines östlichen Nachbarlandes hinzuwirken, je enger sich die sino-nordkoreanischen Beziehungen gestalten.
Am 8. September 2021 hielt das nordkoreanische Regime in der Nacht eine Parade in Pjöngjang ab. Bei der Heerschau sollte offenbar wieder die militärische Stärke Nordkoreas dem Ausland unter Beweis gestellt werden. Kurz danach erprobte Nordkorea neue Marschflugkörper von großer Reichweite. Sie seien laut Pjöngjang eine besondere „strategische Waffe“ zur Verteidigung der nationalen Souveränität des Landes, wie es hieß.
In der Folge unternahm Nordkorea eine Reihe verschiedener erfolgreicher Tests von Flugabwehr- bis hin von Hyperschallraketen. Hyperschallraketen sind extrem schnell und flexibel, was ihre Zerstörung durch Raketenabwehrsysteme stark erschwert. Laut westlichen Militärbeobachtern soll auch eine U-Boot-gestützte ballistische Rakete erfolgreich gestartet sein.
Nordkorea startete nach eigenen Angaben zum zweiten Mal innerhalb einer Woche am 11. Jänner 2022 erfolgreich eine Hyperschallrakete. Die Rakete habe einen „Hyperschall-Gleitsprengkopf“ mit sich geführt, der „ein 1.000 Kilometer entferntes Ziel präzise traf… . Durch die abschließenden Testschüsse wurde die hervorragende Manövrierfähigkeit des Hyperschall-Gleitflugkörpers noch deutlicher bestätigt“, hieß es.
Am 17. Jänner testete das nordkoreanische Militär ballistische Raketen von kurzer Reichweite. UNO-Resolutionen untersagen der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung ballistischer Raketen, die je nach Bauart auch einen Nuklearsprengkopf tragen können.
Zuvor hatte Nordkorea laut Angaben aus Pjöngjang zwei Raketen von einer mobilen Abschussrampe auf einem Zug in Richtung Meer abgefeuert. Der Test galt als Antwort auf neue Sanktionen der USA.
Die selbst erklärte Atommacht Nordkorea unternahm am 30. Jänner trotz internationalen Sanktionen ihren größten Mittelstreckenraketentest seit 2017. Die ballistische Rakete hatte eine Flughöhe von 2.000 Kilometern erreicht, hieß es.
Parallel zur laufenden russischen Invasion der Ukraine führte Pjöngjang am 27. Februar neuerlich einen ballistischen Raketentest durch - nach eigenen Angaben zum Zwecke der Entwicklung eines Aufklärungssatelliten. China und Russland blockierten allerdings eine Erklärung des UNO-Sicherheitsrats zur Verurteilung der jüngsten nordkoreanischen Raketentests. Die USA und weitere westliche Staaten verurteilten hingegen die nordkoreanischen Aktionen scharf.
Pjöngjang unterliegt wegen seines Atom- und Raketenprogramms bereits zahlreichen internationalen Sanktionen. Nordkorea betont stets, dass es die Waffensysteme benötige, um sich gegen eine mögliche drohende Invasion der USA zu verteidigen. Diplomatische Bemühungen der USA brachten in den vergangenen Jahren keine Fortschritte.
Eine klare Verurteilung der Aktionen Nordkoreas durch den UNO-Sicherheitsrat kam im Berichtszeitraum nicht zustande.
Das nordkoreanische Regime hielt allerdings fest, dass man das eigene Raketenprogramm weiter ausbauen möchte. „Nur wenn man mit einer gewaltigen Schlagkraft ausgestattet ist, mit einer unaufhaltsamen, überwältigenden militärischen Macht, kann man einen Krieg verhindern, die Sicherheit des Landes garantieren und alle Drohungen und Erpressungen durch die Imperialisten eindämmen und unter Kontrolle bringen“, betonte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un am 28. März 2022.
UNO-Bericht: Illegale Bereicherung durch Diebstahl von Kryptowährungen
Von Nordkorea seien im vergangenen Jahr mindestens sieben Angriffe auf Kryptoplattformen ausgegangen, hieß es in einem vertraulichen UNO-Bericht von Anfang Februar 2022. Dabei seien digitale Güter mit einem Wert von fast 400 Millionen Dollar erbeutet worden. So hätten nordkoreanische Hacker zwischen 2000 und Mitte 2021 mehr als 50 Millionen Dollar von mindestens drei Kryptobörsen in Nordamerika, Europa und Asien erbeutet.
Damit habe man insbesondere sein militärisches Atomprogramm weiter ausgebaut.[6]
Der jährliche Bericht der UNO-Sanktionsaufsicht war an den zuständigen Ausschuss des höchsten UNO-Gremiums und an die 15 Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats übermittelt worden.
Die USA vermuteten zudem die von Nordkorea staatlich unterstützte Hacker-Gruppe Lazarus hinter einem jüngstem 100-Millionen-Dollar-Raub in den Vereinigten Staaten.
Nordkorea droht mit nuklearem Vergeltungsschlag gegenüber Südkorea
Nachdem Südkorea nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministers Suh Wook vom 1. April 2022 bestätigte, dass sein Land über eine Reihe von Raketen mit deutlich verbesserter Reichweite, Genauigkeit und Leistung verfüge, die in der Lage seien, jedes Ziel in Nordkorea genau und schnell zu treffen, erfolgte postwendend eine harsche Reaktion aus Pjöngjang. Nordkorea werde bei einem Angriff aus Südkorea Atomwaffen gegen den Nachbarn einsetzen. „Das ist nicht nur eine Drohung. Das ist eine detaillierte Erklärung unserer Reaktion auf eine mögliche rücksichtslose Militäraktion Südkoreas“, betonte Kim Yo Jong, die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. Der Süden könne dieses Schicksal vermeiden, indem er jeden „fantastischen Tagtraum“ eines Präventivangriffs auf einen atomar bewaffneten Staat aufgebe.
Das nordkoreanische Militär lancierte Mitte April 2022 ein neues Waffensystem, das die Effizienz seiner taktischen Atomwaffen erhöhen solle. Die „taktische Lenkwaffe neuen Typs“ sei von „großer Bedeutung für die drastische Verbesserung der Feuerkraft der Artillerieeinheiten an der Front und die Steigerung der Effizienz beim Einsatz taktischer Atomwaffen“, so die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un war bei dem Test vor Ort anwesend.
Südkorea fordert atomare Abrüstungsschritte von Pjöngjang
Der neue südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol forderte am 10. Mai 2022 nach seiner Vereidigung die nukleare Abrüstung Nordkoreas. In seiner Antrittsrede sagte er, die Atomwaffen des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un seien eine Bedrohung für die Sicherheit Südkoreas, der Region und der ganzen Welt. „Wenn Nordkorea sich wirklich auf einen Prozess zur vollständigen Denuklearisierung einlässt, werden wir einen kühnen Plan vorlegen, der Nordkoreas Wirtschaft erheblich stärken und die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern wird“, versprach der 61-Jährige. „Die Tür zum Dialog wird offen bleiben, damit wir diese Bedrohung friedlich lösen können“.
Nordkorea schob hingegen den COVID-Ausbruch im Lande auf „invasive Dinge“ aus Südkorea, die bewusst oder unbewusst etwa durch Ballons oder durch Wind über die Demarkationslinie in den Norden getragen würden.
Abgeschlossen: Anfang Juli 2022
Anmerkungen:
[1] Mun Suk Ahn, „THE SOURCES OF NORTH KOREAN CONDUCT: IS PYONGYANG REALLY GOING NON-NUCLEAR?“. In: International Journal 2/2020, S. 237-347.
[2] Nordkoreas Raketen und ihre Reichweiten im Überblick | NZZ-Online v. 2.10.2019.
[3] Nordkorea will Atomprogramm vorantreiben. In: FAZ-Online v. 9.1.2021: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/regierungswechsel-in-amerika-nordkorea-will-atomprogramm-vorantreiben-17137485.html
[4] Nordkorea treibt sein Atomprogramm weiter voran. In: Deutsche Welle-Online v. 9.2.2021: https://www.dw.com/de/nordkorea-treibt-sein-atomprogramm-weiter-voran/a-56505380
[5] North Korea Fires First Missiles During Biden Presidency. In: THE WALL STREET JOURNAL-Online v. 24.3.2021: https://www.wsj.com/articles/north-koreas-military-carries-out-unusual-activities-near-border-11616508652?mod=hp_featst_pos3
[6] Nordkorea angeblich verantwortlich für Krypto-Hack. In: DER SPIEGEL-Online v. 10.2.2021: https://www.spiegel.de/netzwelt/web/bitcoin-ether-und-co-nordkorea-angeblich-verantwortlich-fuer-krypto-hack-a-de76f6fe-8140-40e5-bb11-bd37b7b54c81