CHINAS STRATEGISCHE EINFLUSSNAHME IM INTERNATIONALEN UMFELD


Chinas Mekong-Strategie in der Ära von Xi Jinping

Die Aufrechterhaltung solider diplomatischer Beziehungen zu den Nachbarländern in der Mekong-Region ist für China von strategischer Bedeutung geworden.

Der Mekong-Fluss entspringt in Tibet/China und durchquert die Staaten Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam, bevor er in das Südchinesische Meer mündet.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping hat China seine normative Macht in der Mekong-Region erneuert und versucht, die Mekong-Anrainerländer zu sozialisieren, damit sie normative chinesische Konzepte wie die sogenannte „Schicksalsgemeinschaft“ akzeptieren, indem es ihre materiellen und normativen Ressourcen mobilisiert und umgestaltet.

So stellt sich Peking etwa demonstrativ hinter die Militärregierung in Myanmar. Die Volksrepublik unterstütze den politischen Übergangsprozess in Myanmar sowie die relevanten Kräfte, erklärte unlängst der chinesische Außenminister Qin Gang nach einem Treffen mit Armee-Chef Min Aung Hlaing in der burmesischen Hauptstadt Naypyitaw. Es gehe darum, die Differenzen auf angebrachte Weise beizulegen und eine Aussöhnung innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu suchen, teilte das chinesische Außenministerium mit.[1]

Das Militär in Myanmar hatte 2021 die demokratisch gewählte Regierung gestürzt und deren faktische Chefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi festgenommen. Bei Protesten wurden Hunderte Menschen getötet und Tausende festgenommen.

Chinas normative Macht resultiert aus zwei primären Mechanismen:

  1. eine organisierte, von politischen Eliten vorangetriebene Top-Down-Verbreitung, die zwischenstaatliche Dialoge, Sozialisierung über bilaterale und multilaterale Kooperationsmechanismen bzw. Verhandlungen mit Ländern umfasst, die in die von China geführten Konnektivitäts- und Infrastrukturinitiativen einbezogen werden;
  2. eine Bottom-Up-Verbreitung von Ideen durch Praktiken (etwa Warenaustausch, Handel, Hilfe) und die physische Präsenz Chinas in der Mekong-Region, die durch den massiven Ausbau der Infrastruktur in der Region veranschaulicht wird. Zusammengenommen besteht Chinas erweitertes normatives Engagement in der Mekong-Subregion aus mehreren, oszillierenden Formen der normativen Produktion, die in den Anrainerstaaten mit unterschiedlichen geoökonomischen und geopolitischen Gegebenheiten „synchronisiert“ werden sollen.[2]

Vieles deutet darauf hin, dass normative chinesische Diskurse zwar von den herrschenden Klassen bestimmter Mekong-Staaten akzeptiert werden - Chinas Versuche, normative Macht aufzubauen, aber von den Zivilgesellschaften in der Region weitgehend gemieden werden.

In diesem Kontext werden sich die von China geförderten Normen nur schwer durchsetzen können, da die Präsenz der USA und ihrer Verbündeten in der Region nach wie vor als hoch einzuschätzen ist.


Rasante Modernisierung der chinesischen Streitkräfte am Beispiel der amphibischen Kapazitäten Chinas

Das signifikante Wachstum der chinesischen Marine verwandelt allmählich einige Befürchtungen in potenzielle „strategische Alpträume“ für diejenigen, die sich mit der Sicherheit Taiwans, Japans und anderer US-Verbündeter in der Region beschäftigen. Eines der offensichtlichsten Elemente ist die scheinbar unaufhaltsame Zunahme an Hochseekapazitäten und Ressourcen zur Machtprojektion: eine radikale Abkehr von der früheren Küstenverteidigungshaltung Pekings.

Das Paradigma wird durch qualitative und quantitative Veränderungen bei den amphibischen Mitteln bestätigt. Bis zum Jahr 2000 bestanden die Landungsschiffe der chinesischen Marine aus nur 17 kleinen Landungsschiffen des Typs 072 (YUKAN- und YUTING I-Klasse, 120m, 4.300t). Dann kam ein Schub mit weiteren Typ 15 072B, die in der Lage waren, drei Panzer und 120 Soldaten direkt am Strand anzulanden. Eine wirkliche Veränderung trat 2007 ein, als die ersten amphibischen Transportdockschiffe des Typs 071 der YUZHAO-Klasse in Dienst gestellt wurden - mit 210m Länge und 25.000t vergleichbar mit der US-amerikanischen SAN ANTONIO-Klasse.

Sie verfügen über ein Heckdock, das vier Luftkissenlandungsboote vom Typ 726 aufnehmen kann; über ein Flugdeck und einen Hangar für vier Z-8- oder Z-18-Transporthubschrauber (12- bzw. 15-Tonnen-Klasse); über ein Garagendeck für 30 bis 35 gepanzerte Fahrzeuge und Einrichtungen für ein komplettes Infanteriebataillon. Derzeit sind acht Einheiten im Einsatz, die über erhebliche horizontale Angriffsfähigkeiten verfügen.

Die nächste Änderung der Fähigkeiten - ein echter qualitativer Sprung - erfolgte mit dem amphibischen Angriffschiff vom Typ 075, das mit 250m Länge und 32 000t nur geringfügig kleiner ist als die US-Pendants der WASP-Klasse. Die erste Einheit wurde im April 2021 in Dienst gestellt - zwei weitere Schiffe sind im Bau und weitere fünf in Planung. Ab dem dritten Schiff scheint die Größe auf 40.000t Volllastverdrängung zu steigen. Es bietet den erforderlichen Fähigkeitssprung für die Durchführung vertikaler Angriffe mit beträchtlichen Mitteln: einen Hangar für 20 Hubschrauber und sechs Landeplätze; ein Brunnendeck für zwei Luftkissenfahrzeuge des Typs 726 sowie Unterkünfte für 1.000 Soldaten. Zu den an Bord befindlichen Luftfahrzeugen gehören die Helikopter Z-8/Z-18, die neue Z-20 (fast eine Kopie der amerikanischen UH-60/MH-60) und eine unbemannter Hubschrauber mit unbekannter Bezeichnung, der offenbar dem amerikanischen MQ-8C-Modell ähnelt.[3]

Die Verfügbarkeit von Kampfhubschraubern wie der WZ-10 stellt eine große Veränderung in Bezug auf die operativen Fähigkeiten dar.

Die chinesische Marine und die Marineinfanterie spielen in der Politik des chinesischen Präsidenten Xi Jinping eine besondere Rolle, da sie Einsätze weit über die Grenzen des Landes hinaus ermöglichen. Amphibische Mittel können Wirkungen entfalten, die von „Soft Power“ (Signalisierung der eigenen militärischen Präsenz im Raum), über den Schutz chinesischer Interessen bis hin zu hochintensiver Kriegsführung und Abschreckung reichen.


Die Philippinen im sino-amerikanischen Spannungsfeld

Die Philippinen geraten immer mehr in das Fadenkreuz chinesischer und traditioneller amerikanischer Interessen.[4]

Mitte Februar 2023 warfen die Philippinen China vor, einen Angriff mit einem militärischen Laser auf eines ihrer Küstenschutzschiffe im Südchinesischen Meer verübt zu haben. Das Außenministerium legte offiziell Protest bei der chinesischen Botschaft in Manila ein. Dies stelle „eine Bedrohung für die philippinische Souveränität und Sicherheit als Staat“ dar, hieß es von philippinischer Seite.

Der Vorfall ereignete sich den Angaben zufolge bereits am 6. Februar nahe eines Außenpostens der philippinischen Marine. Das dort unter Wasser gelegene Riff gehört zu den Spratly-Inseln. Ein gestrandetes Transportschiff aus dem Zweiten Weltkrieg wird dort als vorgelagerte militärische Basis genutzt.

Die USA und die Philippinen erklärten sich bereit, ihre gemeinsamen Patrouillenfahrten im Südchinesischen Meer wieder aufzunehmen, wie es Anfang Februar hieß.[5] Die USA sicherten sich Anfang Februar 2023 den Zugang zu vier weiteren Militärstützpunkten auf den Philippinen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bei einem Besuch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in dem Inselstaat getroffen. In einer gemeinsamen Erklärung teilten Manila und Washington mit, dass das „vertiefte Verteidigungsabkommen“ (EDCA) aus dem Jahr 2014 um vier neue Stützpunkte erweitert würde.[6] Bis jetzt hatten US-Streitkräfte durch das Abkommen Zugang zu fünf philippinischen Militärbasen, auf denen Truppen rotierend stationiert werden konnten.[7] „Die Erweiterung des EDCA wird unser Bündnis stärker und widerstandsfähiger machen und die Modernisierung unserer kombinierten militärischen Fähigkeiten beschleunigen“, hieß es von amerikanischer Seite. Die neuen Standorte würden zudem im Falle von humanitären oder klimabedingten Katastrophen auf den Philippinen eine schnellere Unterstützung durch den Vertragspartner ermöglichen.[8]

Auch mit Australien wurde in Manila vereinbart, die sicherheitspolitischen Beziehungen zu intensivieren.[9]

Vor diesem Hintergrund kritisierte die Regierung in Peking insbesondere die Ausweitung der US-Militärpräsenz auf den Philippinen als Gefahr für „Frieden und Stabilität“. Es handle sich um einen Akt, „der den regionalen Frieden und die Stabilität gefährdet“, so das chinesische Außenministerium. Die „egoistische Agenda“ der USA würde zu einer Eskalation der Spannungen führen.


Ökonomische Einflussnahme des chinesischen Staatskapitalismus nach innen wie nach außen

Entgegen den Erwartungen hat die wirtschaftliche Interdependenz die sicherheitspolitischen Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten nicht entschärft. Als Reaktion auf wahrgenommene innere und äußere Bedrohungen haben die Maßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas zur Gewährleistung der Regimesicherheit in anderen Staaten Unsicherheit ausgelöst, was diese dazu veranlasst hat, Maßnahmen zu ergreifen, um den Einflussbereich chinesischer Unternehmen einzuschränken. Die Dynamik des Sicherheitsdilemmas erklärt am besten die nachfolgenden Reaktionen vieler fortgeschrittener Industrieländer auf die Entwicklung von Chinas politischer Wirtschaft zu einem Parteistaatskapitalismus. Der Parteistaatskapitalismus manifestiert sich auf zwei charakteristische Arten:

  1. Ausweitung der parteistaatlichen Autorität in Unternehmen durch Veränderungen in der Unternehmensführung sowie staatlich gelenkte Finanzinstrumente;
  2. Durchsetzung politischer Loyalität unter verschiedenen Wirtschaftsakteuren.

Zusammengenommen haben diese Trends die Unterscheidung zwischen staatlichem und privatem Kapital in China verwischt und zu Gegenreaktionen geführt, darunter verschärfte Investitionsprüfungen, Kampagnen zum Ausschluss chinesischer Firmen aus strategischen Sektoren und die Schaffung neuartiger inländischer und internationaler Institutionen, um der wahrgenommenen Bedrohung durch chinesische Akteure zu begegnen. Die Einzigartigkeit des chinesischen Modells hat sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene zu einer erheblichen Umstrukturierung der Regeln für den Kapitalismus geführt. Die Bemühungen zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit sowohl in China als auch in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreffen zunehmend die Aktivitäten von Unternehmen. In mehreren Staaten, darunter China, wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen so umgestaltet, dass sie Konzerne in die Arbeit der Nachrichtendienste und der Sicherheitsbehörden einbeziehen. In Ländern, die wie die Vereinigten Staaten seit langem den freien Kapitalverkehr über die Grenzen hinweg fördern, sind nationale Sicherheitserfordernisse die Rechtfertigung für neue Hindernisse für Investitionen nach innen und nach außen. Dieser seit Mitte der 2010er-Jahre zu beobachtende Trend widerspricht den Erwartungen der bisherigen Forschungsergebnisse zu internationalen Beziehungen und den Studien zum „Aufstieg Chinas“, die traditionelle Sicherheitsfragen (z. B. territoriale Spannungen) als Schauplatz des zwischenstaatlichen Wettbewerbs hervorheben und die wirtschaftliche Verflechtung als eine Kraft der Zusammenarbeit betrachten.[10]

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg und seine binnenwirtschaftliche Transformation haben den globalen Kapitalismus und die Strategien der nationalen politischen Ökonomien verunsichert. Es zeigt sich immer mehr, wie globale und inländische Akteure angesichts der einzigartigen Herausforderungen, die Chinas politisches Wirtschaftsmodell darstellt, Agenden und Präferenzen initiieren oder umgestaltet haben. Wie andere kritische Wendepunkte oder Störungen in der globalen politischen Ökonomie - etwa die Ölkrisen der frühen 1970er-Jahre und der Aufstieg der wissensbasierten Ökonomien in den 1990er-Jahren - könnte ein „China-Schock“, der sich durch innenpolitische Wahlen und soziale Bewegungen Bahn brechen könnte, neuartige Reaktionen einleiten, die die politische und wirtschaftliche Gestalt einer neuen Ära prägen.


Gemeinsames Militärmanöver Chinas und Russlands mit Südafrika

Mit „Mosi II“ startete vom 17. - 23. Februar 2023 trotz westlicher und vor allem auch Kritik der ukrainischen Führung die zweite trinationale Marineübung in südafrikanischen Gewässern mit chinesischer und russischer Beteiligung. Dabei wurde auch die russische Hyperschallrakete vom Typ Zirkon getestet.[11] 2019 wurde mit „Mosi I“ das erste gemeinsame Marinemanöver Südafrikas mit chinesischen und russischen Einsatzkräften abgehalten.

Der afrikanische Kontinent ist für China ein zentraler Ressourcenlieferant für den eigenen ökonomisch-industriellen Bereich. Zur Absicherung chinesischer Interessen werden dabei stets auch die eigenen Streitkräfte ins Treffen geführt. Dabei werden schrittweise semi-militärische Abkommen vor Ort geschlossen. Dazu kommt die Konstruktion oder Nutzung von Hafenanlagen zu zivil-militärischen Zwecken, die Stationierung von eigenen Truppenkontingenten, die Teilnahme an Missionen für friedensschaffende militärische Maßnahmen oder im Rahmen des Katastrophenschutzes sowie chinesische Waffenlieferungen. 2017 eröffnete China seinen ersten afrikanischen Stützpunkt in Dschibuti. Ende 2022 wurden seine diesbezüglichen Strategien in Äquatorialguinea und Mauritius bekannt.[12]


„Mosi II“ kann als ein Puzzleteil im Rahmen einer stärker werdenden Entente zwischen Moskau und Peking verstanden werden. 2023 hat Südafrika den Vorsitz über die BRICS-Staaten inne, zu denen auch China, Russland, Indien und Brasilien gehören. Im August 2023 wird in der südafrikanischen Stadt Durban ein gemeinsamer Gipfel stattfinden, zu dem auch der russische Präsident Wladimir Putin eingeladen ist.

Während vor allem die USA und die EU die anhaltende Korruption in Südafrika, die Energiekrise und die Infragestellung klarer Eigentumsrechte kritisieren, wecken die BRICS-Staaten mit Plänen für eigene Finanzinstitutionen als Gegengewicht zu Weltbank und Währungsfonds Hoffnungen im dauerkriselnden Südafrika. Noch immer ist die EU vor China der größte Handelspartner, doch nehmen die Verbindungen Südafrikas insbesondere auch zu Peking zu.

Der Westen muss immer mehr feststellen, dass die Allianz mit Südafrika seit eineinhalb Jahrzehnten immer stärker verblasst. Während das beachtliche südafrikanische Wirtschaftswachstum der ersten demokratischen Jahre abnahm, schloss man sich 2010 den BRICS-Staaten an.


China und Russland geht das kollektive Auftreten im Raum über einem gemeinsame Einflusszone im Westpazifik hinaus. In den vergangenen Jahren traten Seestreitkräfte Russlands und der Volksbefreiungsarmee im Indischen Ozean immer öfter gemeinsam auf. Im Dezember 2019, also gleich nach MOSI I, kam es zu einer trilateralen Marineübung mit iranischen Seestreitkräften. Zuletzt, im Dezember 2022, übten Einheiten der Seestreitkräfte Chinas und Russlands im Ostchinesischen Meer.[13]


Chinas zunehmender Einfluss in Zentralasien

Zentralasien erlebt seit jüngster Zeit eine Neuformierung ihrer geopolitischen Landschaft, die sich nach der russischen Invasion in der Ukraine beschleunigt hat.

Die Russische Föderation verliert weiter an Boden in Zentralasien, das bis 1991 ihr „exklusiver Hinterhof“ war.[14] Der Krieg in der Ukraine hat diese Situation, die seit Mitte der 2010er-Jahre aufgrund der Annexion der Krim, der ersten westlichen Sanktionen zur Schwächung Moskaus und der zunehmenden wirtschaftlichen Einflussnahme Chinas durch die Umsetzung seines Projekts der „neuen Seidenstraßen“ spürbar war, nur noch beschleunigt. Die diplomatische, wirtschaftliche und sogar militärische Vormundschaft des Kremls über die zentralasiatischen Republiken wird langsam aber sicher geschwächt.

Ab 3. März 2022 konnte der russische Präsident Wladimir Putin die unangenehmen Folgen seiner „militärischen Sonderoperation“ für seine diplomatischen Beziehungen zu den fünf zentralasiatischen Staaten ermessen. Bei der Abstimmung in der UNO über eine Resolution, die den Krieg in der Ukraine verurteilte, unterstützte keine der Republiken den ehemaligen großen Bruder, sondern entschied sich entweder für die Stimmenthaltung (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan) oder für die Abwesenheit am Tag der Abstimmung (Usbekistan und Turkmenistan). Tatsächlich hat die bewaffnete Aggression gegen die Ukraine das Gespenst eines expansionistischen Russlands wieder auf die Tagesordnung gesetzt, das die 1991 erlangten Unabhängigkeiten bedroht und dies insbesondere mit dem Vorwand der Verteidigung der russischen Minderheiten begründet. Dass dieser letzte Punkt in die neue nationale Sicherheitsstrategie für 2021aufgenommen wurde, ist nicht unbedeutend. In den betroffenen ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken spüren die Regierungen Misstrauen und Angst, und in der Bevölkerung wächst die Russophobie. So genehmigten diese autoritären Republiken, die es gewohnt sind, jede Form von Demonstrationen heftig zu unterdrücken, Straßenversammlungen für das ukrainische Volk in Usbekistan, Kirgisistan und Kasachstan, wobei letzterer Staat der Archetyp für eine atmosphärische Abkühlung gegenüber Moskau darstellt.

Das zur Großmacht aufgestiegene China investiert verstärkt in den Sicherheitssektor, um seine „Neuen Seidenstraßen“ zu schützen und die Stabilität in seiner großteils muslimisch geprägten Unruheprovinz Xinjiang zu stärken. Im Oktober 2021 kündigte die tadschikische Regierung den Bau eines paramilitärischen Stützpunkts in Ishkashim (Autonome Provinz Gorno-Badakhshan) nahe der afghanischen und chinesischen Grenze an. China stellt die Finanzierung und Planung dieser Einrichtung in Höhe von zehn Mio. US-Dollar sicher und wird die gesamte Ausrüstung bereitstellen. Eine Gruppe von Spezialeinheiten der tadschikischen Polizei wird dort stationiert werden. China liefert auch Ausrüstung an die Streitkräfte Usbekistans und Turkmenistans. Zudem operieren private chinesische Sicherheitsfirmen in Kirgisistan (Zhongjun Junhong) und Usbekistan (Frontier Services Group).

Ende April 2023 gab China bekannt, dass man zentralasiatischen, ehemaligen Sowjetrepubliken den Schutz ihrer Unabhängigkeit gewähren werde.[15]


Abgeschlossen: Mitte Mai 2023


Anmerkungen:

[1] China stellt sich hinter Junta in Myanmar. In: HANDELSZEITUNG-Online v. 3.5.2023: https://www.handelszeitung.ch/newsticker/aung-san-suu-kyi-gesturzt-china-stellt-sich-hinter-junta-in-myanmar-598455

[2] Siehe dazu: Yao Song / Guangyu Qiao-Franco / Tianyang Liu, BECOMING A NORMATIVE POWER? CHINA’S MEKONG AGENDA IN THE ERA OF XI JINPING. In: International Affairs 6/2021, S. 1709-1726.

[3] Vgl. Massimo Annati, CHINESE AMPHIBIOUS CAPABILITIES. In: MT 5/2021, S. 31-33.

[4] The Philippines Is America’s New Star Ally in Asia. In: FOREIGN POLICY-Online v. 21.2.2023: https://foreignpolicy.com/2023/02/21/philippines-marcos-bongbong-china-japan-us-alliance-indo-pacific-geopolitics/

[5] Philippines, US in Talks for Joint Patrols in South China Sea: Official. In: THE DIPLOMAT-Online v. 21.2.2023: https://thediplomat.com/2023/02/philippines-us-in-talks-for-joint-patrols-in-south-china-sea-official/

[6] Reset in US-Philippines relations tells of yet another China fumble. In: THE LOWY INSTITUTE-Online v. 15.2.2023: https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/reset-us-philippines-relations-tells-yet-another-china-fumble

[7] Siehe dazu vertiefend: US ‘Committed’ to Joint Sea Patrols With Philippines: US Navy Chief. In: TheDefencePost-Online v. 23.2.2023: https://www.thedefensepost.com/2023/02/23/us-joint-sea-patrols-philippines/

[8] How is the Philippines balancing ties with China and the US? In: DEUTSCHE WELLE-Online v. 21.2.2023: https://www.dw.com/en/how-is-the-philippines-balancing-ties-with-china-and-the-us/a-64777259

[9] Australia, Philippines discuss joint South China Sea patrols. In: REUTERS-Online v. 22.2.2023: https://www.reuters.com/world/asia-pacific/australia-philippines-discuss-joint-patrols-south-china-sea-2023-02-22/

[10] Margaret M. Pearson / Meg Rithmire / Kellee S. Tsai, „CHINA’S PARTY-STATE CAPITALISM AND INTERNATIONAL BACKLASH“. In: International Security 2/2022, S. 135-176.

[11] Zircon hypersonic missile launch during Ex Mosi II in South Africa. In: MILITARY AFRICA-Online v. 8.2.2023: https://www.military.africa/2023/02/zircon-hypersonic-missile-launch-during-ex-mosi-ii-in-south-africa/

[12] Exercise Mosi II a cause for concern. In: DEFENCEWEB-Africas Leading Defence News Portal-Online v. 20.1.2023: https://www.defenceweb.co.za/featured/exercise-mosi-ii-a-cause-for-concern/

[13] Gemeinsame Marineübungen Chinas, Russland und Südafrikas im Februar 2023. In: MARINEFORUM-Online v. 6.2.2023: https://marineforum.online/gemeinsame-marineuebungen-chinas-russland-und-suedafrikas-im-februar-2023/

[14] Vgl. Daniel Pasquier, „REDISTRIBUTION DES CARTES EN ASIE CENTRALE (1/2) - RUSSIE ET CHINE“. In: Revue Défense Nationale 2/2023, S. 108-113.

[15] First China-Central Asia Summit to convene in Xi’an to discuss substantial cooperation results and future. In: GLOBAL TIMES-Online v. 27.4.2023: https://www.globaltimes.cn/page/202304/1289918.shtml

CHINAS NEUE SEIDENSTRASSEN-INITIATIVE

Mit dem Aufstieg des Reichs der Mitte zur Großmacht scheint auch zunehmend ein Ende der bisherigen, primär von den USA dominierten liberalen globalen Ordnung in Sicht. [1] Währenddessen ist China heute dabei, in jene global maßgebliche Rolle zu schlüpfen, aus der man vor rund 600 Jahren aufgrund eigener machtpolitischer Selbstbeschränkung herausgetreten war. [2] Manche Beobachter sehen im Zeitraum zwischen 2030 und 2035 den Punkt gekommen, wo China die USA als globale Führungsmacht ablösen werde. China strebt die Restauration einer alten Weltordnung chinesischer Prägung an, die wenig mit der uns vertrauten westlich-liberalen Weltordnung gemein hat, dafür aber viel mit einer bürokratischen Ordnungsvorstellung, die in mancher Hinsicht an das alte Tributsystem erinnert. So lanciert Peking die alte eurasische Entwicklungsschiene im Rahmen der Neuen Seidenstraßen-Strategie („One Belt One Road“). Das zunehmend aggressivere Auftreten Chinas etwa im Südchinesischen Meer, wo Peking Inseln aufschüttet und Militärstützpunkte darauf errichtet, ist ein besonderes Beispiel dieses gestärkten Selbstvertrauens. [3]

Der durch Zentralasien bis über den Iran und die Türkei verlaufende primäre kontinentale Handelsweg weist gewisse Parallelen zur Trasse der ehemaligen Bagdad-Bahn auf. Weitere Nebenrouten führen über den Balkan bis Moskau und schließlich über Weißrussland, Polen zu den Umschlaghäfen von Rotterdam und Antwerpen.

Wie bei der früheren Ming-Dynastie geht es dem heutigen chinesischen Präsidenten Xi Jinping um die Restauration der alten Landrouten quer durch Eurasien und der Seerouten durch das Becken des Indischen Ozeans. Zu Land nutzt China die bestehende, wenn auch teilweise marode Infrastruktur, etwa die Transsibirische Eisenbahn, die China unbedingt modernisieren möchte, um die eigenen Kapazitäten zu erhöhen. Auf diese Weise soll der heutige Kostenvorsprung des Seehandels durch die drastische Reduzierung der Fahrtzeiten nach Europa ausgeglichen und überdies das Nadelöhr des Suezkanals entlastet werden. Ergänzt werden soll die Eisenbahn durch neue Fernstraßen für den Containertransport, den Bau von Pipelines für Erdöl und Erdgas sowie den Ausbau der Energie- und Kommunikationsinfrastruktur. Ende 2016 existierten bereits 39 Schnellbahnverbindungen für den Gütertransport nach Europa mit rund 3000 Zügen, die 14 Städte in neun europäischen Staaten anfuhren. Als Paradebeispiel kann die regelmäßige Verbindung zwischen Chongqing und Duisburg über das nordwestchinesische Ürümqi, das russische Kasan und Moskau gesehen werden. [4]

 

Zusätzlich zu den kontinentalen Routen im Rahmen der Neuen Seidenstraßen-Strategie hat Peking sogenannte „Wirtschaftskorridore“ eingerichtet, die über ein dichtes Adernnetz Waren durch ganz Asien bis in den arabischen Raum transportieren sollen. 

Bis 2025 ist eine schiffbare Verbindung über den Mekong von Kunming bis in den Süden Vietnams geplant. Auf diese Weise werden drei Wirtschaftsgürtel entstehen: Der eine leitet die Güterströme über den zentralasiatischen Raum bis zur Ostsee; der zweite geht von China zum Persischen Golf und schließlich in den Mittelmeerraum; der dritte erstreckt sich über den Südwesten Chinas bis zum Indischen Ozean. Zur Strategie der Wirtschaftskorridore gehört unter anderem auch das „Landgrabbing“, insbesondere am afrikanischen Kontinent, zur Versorgung des chinesischen Markts mit Nahrungsmitteln und pflanzlichen Rohstoffen.

Peking plant minutiös die Ausdehnung seiner maritimen und kontinentalen Handelsrouten, wobei man stets darauf bedacht ist, diese auch militärisch abzusichern. [5]

Der wichtigste strategische Denker in Chinas Geschichte war ohne Zweifel Sunzi (545 v. Chr. – 470 v. Chr.). Seine Konzeption des Krieges in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“ hat viele Ähnlichkeiten zu heutigen Sicherheitsparadigmen. Nach Sunzi sind präventive Aufklärung, szenarien-basierte Planung und Vorbereitung gegen Bedrohungen fundamental. [6] Das Ziel ist es, in einem Krieg ohne Kampf zu gewinnen. Dabei müssen die Bedrohungen bereits frühzeitig eingedämmt bzw. überhaupt im Vorfeld verhindert werden, bevor sie entstehen. Eine andere wichtige Entwicklung war das Intelligenzspiel Weiqi (Go). Das Spiel kann Stunden, aber auch Tage dauern. Das Spiel basiert auf 36 unterschiedlichen Szenarien. Scham und Misstrauen sind starke Gefühle bei den Chinesen. Verschwiegenheit ist eine Tugend, wobei Chinesen sich niemals Fremden gegenüber vollkommen öffnen. Allerdings stehen Chinesen in kritischen Situationen sehr wohl zu ihren wahren Überzeugungen und lassen es ihrem Gegenüber auch spüren. China misstraut dem Westen und sieht die Auslandschinesen etwa auf Taiwan als „Subjekte westlichen Einflusses“. Die kommunistische Führung in Peking setzt alles daran, die ökonomisch ausgerichtete chinesische „Neue Seidenstraßenstrategie“ zu Land und zu Wasser politisch-militärisch mit Hilfe von Stützpunkten und Häfen abzusichern. Pakistan etwa gilt dabei als „Wirtschaftskorridor“-Land für Waren von Ost nach West. Die Freundschaft zwischen China und Pakistan gilt als Gegenstück zur indisch-russischen Freundschaft. Die Sicherung der pazifischen Meeresroute ist für China von zentraler Bedeutung und der Grund vieler territorialer Kontroversen mit seinen Nachbarn. China ist zudem weiterhin im Disput mit Indien über transnationale Flussläufe, die in Tibet und dem Himalaya entspringen. Chinas Anstrengungen, den Brahmaputra-Fluss auf chinesischem Gebiet aufzustauen, hat die Spannungen zwischen Delhi und Peking drastisch erhöht. Sibirische Territorien, die einst zu China gehörten und nun Teil Russlands sind, werden wahrscheinlich in weiterer Zukunft ebenfalls zu einem Sicherheitsproblem zwischen Peking und Moskau. Unter Präsident Xi Jinping forciert China nicht nur seine ökonomische, sondern vor allem auch seine politisch-militärische und zunehmend technologische Macht. Neben der energischen militärtechnologischen Stärkung seiner Streitkräfte hat China große Ambitionen, auch eigene Astronauten auf den Mond schicken. Damit will China auch verstärkt im Weltraum Präsenz zeigen. Dafür wurde etwa das Raumschiff Shenzhou-11 und das Weltraumlaboratorium Tiatong-2 gebaut. China wird alle Maßnahmen ergreifen, um seine vitalen Interessen zu schützen. Jedoch wird Peking Spannungen nur auf eine kontrollierbare Weise eskalieren lassen. Diplomatie und Politik wird der Vorzug gegeben, um die nationalen Interessen Chinas zu behaupten.

Als ein Schlüsselelement seiner Seidenstraßeninitiative zur Vernetzung dreier Kontinente – Asien, Europa und Afrika – enthüllte der chinesische Präsident die ambitionierten Pläne zur Errichtung des Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridors während eines Besuches in Islamabad im April 2015. Dementsprechend verkündete Peking, rund 46 Milliarden US-Dollar in die pakistanische Wirtschaft durch chinesische Infrastrukturinvestitionen zu stecken. China und Pakistan bezeichneten das Projekt als „win-win“-Ansatz. [7] Es gibt drei mögliche Wege, um Kaschgar in China mit Gwadar in Pakistan zu verbinden. Alle drei führen durch Gilgit Baltistan, das nördlichste Verwaltungsterritorium Pakistans an der Grenze zur chinesischen Provinz Xinjiang und befinden sich in der zwischen Pakistan und Indien umstrittenen Region Jammu und Kaschmir. Der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor verfolgt aber nicht nur rein ökonomische Ziele, sondern ist auch von strategisch-politischer Wichtigkeit. Der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor wird von Peking als „Flaggschiff-Projekt“ dargestellt. Durch diese Korridor plant China die eigene westliche Unruheprovinz Xinjiang mit der strategisch wichtigen pakistanischen Provinz Belutschistan zu verbinden. Zudem wurde bekannt, dass Peking den Hafen von Gwadar zu einer chinesischen Marinebasis ausbauen möchte. In der früheren französischen Kolonie Dschibuti in Ostafrika hat China bereits seine erste Marinebasis errichtet, um seine Seeverbindungen im Rahmen der maritimen Seidenstraßenroute zu schützen. China hat zudem angekündigt, an Pakistan acht Angriffs-U-Boote für den Preis von 5 Milliarden US-Dollar zu verkaufen. Das zeigt, dass Pakistan ein zentraler Eckstein für Chinas Seidenstraßeninitiative ist. Für China ist der Chinesisch-Pakistanische Wirtschaftskorridor auch ein wichtiges strategisches Werkzeug, um den großen Konkurrenten Indien in Schach zu halten. Im Gegenzug unterzeichneten Indien, der Iran und Afghanistan jüngst ein Abkommen, um den iranischen Hafen von Tschahbahar am Golf von Oman in einen Transithub unter Umgehung Pakistans zu verwandeln.

Der Prozess der „Veröstlichung“ („Easternization“) von West nach Ost wird weitergehen und sich in politisch-militärische Macht zugunsten vor allem des Reichs der Mitte übersetzen. [8]

Aus Sicht der USA ist ein maritimes „Great Game“ im asiatisch-pazifischen Großraum im Gange, das alle Anrainerstaaten einschließlich der Weltmacht USA involviert.

Weiterführende LINKS:

Jonathan E. Hillman, “How Big Is China’s Belt and Road?” In: CSIS-Center For Strategic Studies-Online v. 3.4. 2018: https://www.csis.org/analysis/how-big-chinas-belt-and-road

Jiayi Zhou, Karl Hallding, and Guoyi Han, “The Trouble With China's 'One Belt One Road' Strategy”. In: The Diplomat-Online v. 26.7.2015: https://thediplomat.com/2015/06/the-trouble-with-the-chinese-marshall-plan-strategy/

Offizielle Webseite Chinas zur neuen Seidenstraßeninitiative: THE STATE COUNCIL -THE PEOPLE'S REPUBLIC OF CHINA -  THE BELT AND ROAD INITIATIVE

Michael D. Swaine, Chinese Views and Commentary on the “One Belt, One Road” Initiative (PDF). Hoover-Institution.

Matthew P. Goodman, Parallel Perspectives on the Global Economic Order - A U.S.-China Essay Collection. In: CSIS-Center For Strategic Studies-Online v. 22.7.2017: https://www.csis.org/analysis/parallel-perspectives-global-economic-order

China's Belt and Road Initiative. In: World Politics Review-Online 10.9.2018


Anmerkungen:

[1] Siehe etwa: Gideon Rachman, “Der Beginn des asiatischen Zeitalters”. In: Internationale Politik 2/2018, S. 8-13.

[2] Vgl: Matthias Messmer / Hsin-Mei Chuang, China at its Limits – An Empire’s Rise Beyond its Borders, Kerber Verlag, Bielefeld 2018, 416 Seiten.

[3] Vgl. dazu: Gina Schneider, „Conflict Management under Conditions of Asymmetric Power: The Case of The South China Sea Disputes”. In: S+F – Sicherheit und Frieden 1/2018, S. 45-53.

[4] Siehe dazu: Ulrich Menzel, “Tribut für China: Die neue Eurasische Weltordnung“. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2018, S. 49-60.

[5] Vgl: Mark Metcalf, „China Envisions Growing Role in Regional Security”. In: Naval Institute Proceedings 4/2018, S. 42-46.

[6] Ali Erdinc, “China’s Threat Perception, Security Strategy and Eurasia”. In:  European Security & Defence 3/2018, S. 24-27.

[7] Shah Meer Baloch, „CPEC: One Potentially Treacherous Road in China’s Grand Plan?” In: Sicherheit und Frieden S+F 3/2017, S. 139-143.

[8] Vgl. etwa: Friedbert Pflüger, „Von der Pax Americana zur Pax Sinica? - Der Weltmachtanspruch der chinesischen Energie- und Klimapolitik“.  In: Internationale Politik 2/2018, S. 30-36.